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braucht werden kann, so giebt es doch Streu für dasselbe. Darum
ist auch die Viehzucht ansehnlich und gut gelegene Grundstücke erhalten
sich in hohem Preise.“
Anders klingt freilich, was Engelhardt“) in seiner Erd-
beschreibung von Sachsen, Bd. 1, S. 201 sagt, und was seitdem,
zum großen Theile kritiklos, in zahlreiche andere Schriften über—
gegangen ist: „Die Gegend über Eibenstock, Johanngeorgenstadt,
Wiesenthal, Jöhstadt u. s. w. nennt man gewöhnlich das sächsische
Sibirien. Außer etwas kärglichem Ackerbau fast nichts als Wald und
Wüstung. Der Schnee liegt gewöhnlich zwei bis drei Ellen (1 bis
18/. m) und schmilzt immer erst spät im Frühjahr, oft kaum vor
Johanni.“ (Dies ist nun freilich über alles Maß übertrieben; Mitte
Mai liegt nur an vereinzelten Stellen noch Schnee.) „In einer
Nacht verschneit flugs Haus und Hof, aber den Bewohner dieses
sächsischen Nordpoles kümmert dies wenig. Geduldig bahnt er sich
früh mit der Schaufel einen Weg und gräbt Löcher, um Licht nach
den Fenstern zu bringen, Stollen oder Tunnel nach den Hausthüren.
Oede und einsam sind diese Gegenden, besonders im Winter.“
Es ist kaum zu verwundern, wenn durch diese und ähnliche
Darstellungen und ihre Wiederholung vollständig falsche Vorstellungen
über das erzgebirgische Klima, besonders in dessen höheren Regionen,
allgemeine Verbreitung gefunden haben.
Es ist wahr, das Klima ist hart und rauh. Bei einer Höhenlage
von über 800 m beträgt die mittle Jahrestemperatur nur 5,880 C.,
aber die Temperaturunterschiede der Jahreszeiten sind weniger groß,
wie in der Niederung. Der Winter hat im Durchschnitt eine Tem-
peratur von — 2,16 0, das Frühjahr von +— 8,08°, der Sommer
von — 15,67 , der Herbst von 3,93 °% C. Die Höhe der atmosphä-
rischen Niederschläge beträgt im Mittel 91,05 mm. Das Jahr hat
nur 53 helle Tage, aber 91 Nebel= und 96 Regen= und Schneetage,
sowie 15 Gewittertage. Die Luft ist aber kräftig und anregend, die
Vegetation energisch in der ihr kurzgemessenen Periode, und es ge-
staltet sich geradezu zu einem Hochgenuß in der Zeit der kräftigsten
Entwickelung des Pflanzenlebens von etwa Mitte Mai bis Anfang
Juni in den nach frischen Trieben duftenden, wie mit hellen Knospen-
lichtern geschmückten Nadelholzwaldungen zu wandern, längs der
rauschenden Riesel und Bäche, freilich zuweilen auch noch über ein
Stück liegengebliebenen Schneefeldes dahin.
Auch in der mittleren und nordwestlichen Region erscheint das
D. J. Merkel, Erdbeschreitung von Kursachsen, bearbeitet von Engel-
hardt. geipzig. 1804. Bd. 1. S. 201.