Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Erster Band. (1)

Mängel der Bureaukratie. 89 
Welcker ausrief: es ist ein Segen für das Land, aber ein 
schwerer Schlag für die Opposition! Der Bundestag hatte 
es dahin gebracht, daß liberal sein und Opposition machen, 
gleich viel unter welchem Ministerium, für gleichbedeutend 
galt. Sehr verschieden von Winter's Haltung war in dem 
benachbarten Darmstadt die des Ministers du Thil und seines 
vertrauten Rathes Eckhardt; beide waren scharfblickende und 
energische Männer, erfüllt von dem Streben nach Gemein- 
wohl in jeder Richtung, stets aber nach dem Spruche: Alles 
für das Volk, nichts durch das Volk. Mit der Kammer 
lagen sie lange im Streit, setzten aber ihren Willen durch, 
und das kleine Land fuhr nicht schlecht dabei. Sie bauten 
Straßen, verbesserten die Schulen, pflegten eine musterhafte 
Forstwirthschaft, unterstützten mit großem Verstande die Ent- 
wicklung von Handel und Gewerbe. Mit dem Allem soll 
freilich kein idealer Zustand bezeichnet werden. Die der Natur 
jeder bureaukratischen Verfassung anhaftenden Mängel kamen 
in den langen Friedensjahren jener Periode bei aller Thätig- 
keit und Einsicht oft genug zum Vorschein, Verharren in dem 
einmal ausgefahrenen Geleise, Verkennen der Bedürfiisse des 
realen Lebens neben Übertreibung des juristischen Formalis= 
mus, Nachlassen des geistigen Verkehrs zwischen Regierenden 
und Regierten, zwischen Beamten und Volk, in Preußen ebenso 
wie in den kleineren Staaten. Ein nicht immer nöthiger Befehls- 
haberton galt für unerläßlich zur Aufrechthaltung der Auto- 
rität, und vollends die Sicherheitspolizei, angestachelt durch 
die politischen Sorgen der höchsten Stellen, bewegte sich in 
einem hofmeisternden, argwöhnischen und kleinlichen Treiben, 
welches die herrschende Mißstimmung nie zur Ruhe kommen ließ. 
Denn trotz alles Guten, welches wir eben berichtet
	        
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