Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Erster Band. (1)

102 Kirchliche Anschauungen. 
Rechte“ einzuräumen, als den „kleineren Herrscherfamilien“, 
den adlichen Herren, fürstliches Walten in ihren Kreisen zu 
gestatten; allerdings aber blieb es dabei stets die erste Pflicht, 
für sich und sein Haus die über die übrige Menschheit hoch 
emporgehobene Stellung zu behaupten. Vor Allem die 
Königskrone däuchte ihm von mystischem Glanze umflossen, 
für ihren Träger die Quelle einer, andern Sterblichen nicht 
vergönnten Inspiration. Einmal, im Jahre 1844, sagte er 
zu Bunsen: ihr Alle meint es gut mit mir, und seid auch 
gut zur Ausführung; aber es gibt Dinge, die man nur als 
König weiß, die ich selbst als Kronprinz nicht gewußt, und 
nun erst als König erfahren habe )). Man erkennt leicht, 
wie sehr eine solche Vorstellung auf der einen Seite mit 
seiner Ansicht vom heiligen römischen Reich zusammenstimmte, 
auf der andern sich den Grundsätzen der altständischen Partei 
in Preußen annäherte. Ihren letzten Abschluß aber erhielt 
sie durch die religiöse Überzengung des Königs. Tief durch- 
drungen von der. Nothwendigkeit und Erhabenheit der Heils- 
anstalten der christlichen Kirche, drängte es ihn, den Ver- 
waltern derselben eine würdige und unabhängige Stellung 
zu geben, und sie von der lästigen Einmischung der profanen 
Staatsbehörden zu befreien. Hier war er sogar bereit, auch 
für sich selbst auf die Stellung des obersten Bischofs zu ver- 
zichten. Ich ersehne den Augenblick, sagte er, in dem ich 
dieses Amt in die berufenen Hände niederlegen kann. In 
dieser Gesinnung beeilte er sich, den Streit mit dem Vatican 
gegen einige Einräumungen in den Personalfragen durch voll- 
ständige Nachgiebigkeit in der Sache zu beenden, und fort 
1) Preuß. Jahrbücher, Bd. 63, S. 528.
	        
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