Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Erster Band. (1)

104 Bedrohung durch Frankreich. 
bewußtsein durchaus ein persönliches Regiment führte, seine 
Minister in strenger Abhängigkeit von seinem Willen erhielt, 
und auch andern Vertrauten nur so weit Einfluß verstattete, 
als sich ihre Vorschläge innerhalb seines Gedankenkreises be- 
wegten. Man darf es aussprechen: die geschichtliche Ver- 
antwortung für alle wesentlichen Acte seiner Regierung gebührt 
ihm, und zu großem Theile ihm allein. 
Allerdings in einer auswärtigen Verwicklung, welche 
gleich nach seiner Thronbesteigung ihren Höhepunkt erreichte, 
fand er sich von einer gleichgestimmten Erregung des ge- 
sammten deutschen Volkes getragen. Als ferne im Orient 
der Bestand des türkischen Reiches durch den Vicekönig von 
Agypten bedroht wurde, Frankreich den letztern begünstigte, 
die vier andern Großmächte aber am 15. Juli einen Vertrag. 
zur Beschützung des Sultans abschlossen, erklärte der Minister 
Thiers die Ehre Frankreichs verletzt, drohte mit Krieg und 
begann gewaltige Rüstungen, während die französischen Zei- 
tungen mit lärmendem Geschrei die Wiedereroberung des 
linken Rheinufers der Welt ankündigten. Das war denn doch 
dem wieder erwachten deutschen Nationalgefühl zu stark. Wir 
haben bemerkt, wie sich in der Volksstimmung kurz zuvor eine 
Wendung vom Sonderthum hinweg zu neuen Einheitsgedanken 
vollzogen hatte, die Zeiten waren vorüber, in denen ein 
englischer Angriff auf die heilige Allianz beklatscht, und be- 
wundernde Blicke auf die Freiheit der „großen Nation" geworfen 
wurden. Ein Schrei der Entrüstung ging durch alle deutschen 
Lande, und Millionen stimmten ein in den Ruf des Liedes: 
sie sollen ihn nicht haben, den freien deutschen Rhein. Sogar 
Metternich war dieses Mal mit der Bewegung zufrieden und 
stellte ihr das wunderbare Zeugniß aus, sie sei ganz rein
	        
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