Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Erster Band. (1)

Berathung über die Einführung von Reichsständen. 107 
wie eine Anleihe den Staatscredit belasten würde. Nach 
Hardenberg's Gesetz vom 17. Januar 1820 war also für das 
Eine wie für das Andere die Zustimmung der Reichsstände 
erforderlich. Der König kam bei seiner Abneigung gegen 
Reichsstände auf den Gedanken, Ausschüsse der Provinzial- 
landtage wählen zu lassen, sie zu einer gemeinsamen Be- 
rathung nach Berlin zu laden, und von ihnen die Genehmi- 
gung der Zinsgarantie zu begehren. Der Versuch wurde 
gemacht, blieb aber erfolglos: die Ausschüsse erkannten die 
Nothwendigkeit des Eisenbahnbaues an, erachteten sich aber 
nicht zuständig zur Übernahme einer Zinsgarantie. Wenn 
man Eisenbahnen erlangen wollte, blieb also nur die Wahl 
zwischen einer ausdrücklichen Aufhebung des Gesetzes von 1820 
oder der Schöpfung einer reichsständischen Versammlung. 
Der König verfiel bei dieser Klemme auf den Ausweg, zum 
Behufe der Finanzoperation die sämmtlichen Provinzialstände 
als Reichsstände unter dem Titel eines Vereinigten Landtags 
zusammenzurufen, für die Zukunft aber eine solche Versamm- 
lung nur im Nothfall oder nach seinem Ermessen zu wieder- 
holen, und die andern im Gesetze von 1820 den Reichsständen 
überwiesenen Geschäfte im Staatsschuldenwesen den vereinigten 
Ausschüssen der Provinzialstände oder einer Delegation des 
Landtages zu übertragen. Zur näheren Prüfung der Sache 
setzte er eine Commission von vier Ministern und einem Hof- 
marschall ein und reiste dann in die Rheinprovinz, wo er die 
große Frage bei Gelegenheit einer gemeinsamen Rheinfahrt 
mit dem Fürsten Metternich besprach. Er erläuterte ihm, daß 
er Reichsstände schlechterdings nicht wolle, Provinzialver- 
tretungen seien das Einzige, was seinem Staate fromme; nun 
könnten aber Fälle eintreten, wie z. B. die Aufnahme einer
	        
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