Schleswig-Holstein. 115
der deutschen Unabhängigkeit handelte, nahm in Deutschland
die öffentliche Meinung nach ihren polnischen Tendenzen ganz
überwiegend für die Westmächte Partei: wie siegreich auch
Clemens Perthes die Wahrheit darlegte, daß die Einrückung
eines Vertrags in die Congreßacte nur dessen Inhalt gegen
Eingriffe Dritter schützen solle, keineswegs aber die Freiheit
der Contrahenten selbst zu abändernden Bestimmungen be-
schränken könne.
Um so stärker aber rührte sich die Fiber des deutschen
Patriotismus bei einem anderen Ereigniß desselben Jahres,
bei dem Beginne des Streites zwischen Schleswig-Holstein
und Dänemark. Da dessen Entwicklung unmittelbar zur
Gründung des deutschen Reiches geführt hat, verschiebe ich
die nähere Darstellung auf einen spätern Zusammenhang, und
erwähne hier nur den Gegenstand der Streitfrage im Allge-
meinen. Schon seit längerer Zeit war von Kopenhagen aus
Schritt auf Schritt geschehen, um die alte staatsrechtliche
Verbindung Schleswigs mit Holstein zu zerreißen und die
völlige Einverleibung Schleswigs in das eigentliche Dänemark
vorzubereiten. Man hatte das in den Herzogthümern er-
tragen, weil binnen Kurzem das Aussterben des königlichen
Mannsstammes zu erwarten stand, und dann nach der bisher
nie bezweifelten Thronfolge die Herzogthümer an den nächsten
Agnaten, den Herzog von Augustenburg, Dänemark aber an
die weibliche Linie fallen, und damit die Herzogthümer jedes
dänischen Einflusses ledig werden würden. Jetzt aber ver-
kündete König Christian seinen Unterthanen und der Welt
durch einen offenen Brief, daß für Schleswig und vielleicht
auch für einige Theile Holsteins dieselbe Erbfolge wie für
Dänemark gelte. Sofort erhob sich durch ganz Deutschland