Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Erster Band. (1)

160 Die Parteien. 1848 
an Montesquieu's und de Lolme's Lehren von der englischen 
Verfassung die constitutionelle Monarchie für die schlechthin 
beste Staatsform erklärte. Zu einer solchen gedachte er auch 
das künftige deutsche Reich zu gestalten. Ein erbliches Kaiser- 
thum mit verantwortlichen Ministern, ein Oberhaus, gebildet 
aus den regierenden Fürsten und 161 durch die Kammern 
gewählten Reichsräthen, ein aus dem allgemeinen gleichen 
Stimmrecht hervorgehendes Unterhaus. Die Reichsgewalt 
verfügt ausschließlich über das Kriegswesen, die Diplomatie, 
das Handels-, Zoll= und Verkehrswesen; alle Reichslande 
bilden ein einziges Zollgebiet. Die bisherigen Contingente 
der Bundesstaaten lösen sich auf in ein einziges Reichsheer, 
dessen sämmtliche Offiziere der Kaiser ernennt, sowie er über 
die Garnisonsorte und die Festungen verfügt. Zugleich schreibt 
die Verfassung eine Reihe durchgreifender Regeln für die 
Regierung der Einzelstaaten vor, und gewährt dem Volke 
die Verbürgung höchst umfassender Freiheitsrechte. Mit einem 
Worte, nach diesem Entwurfe würde aus dem Reiche ein con- 
stitutioneller Einheitsstaat, dessen Provinzen erbliche Vorstände 
und eine starke Autonomie für Gericht, Polizei, Kirche und 
Schule, sowie einen Theil des Steuerwesens behalten möchten. 
Ganz sicher wäre durch eine solche Verfassung das innere 
Leben der deutschen Stämme weder in seiner Eigenartigkeit 
noch in seiner freien Entwicklung bedroht worden: jeder auf 
dieses Moment begründete Tadel wäre unberechtigt. Um so 
bestimmter aber lag hier die Frage vor, ob der Entwurf den 
damals gegebenen Verhältnissen so zutreffend entsprach, daß 
er vermöge seiner innern Kraft jeden Widerspruch überwinden 
würde. Oder mit andern Worten: war in dem deutschen 
Volke das Streben zur Einheit so weit entwickelt, um die
	        
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