168 Die Parteien. 1848
das Einheitsstreben des deutschen Volkes unverträglich sei,
darüber war man sich vollkommen klar, meinte aber nach
alter Gewohnheit zu der Forderung berechtigt zu sein, daß
Deutschland sich versagen müsse, was Osterreich unzuträglich
erscheine. Es blieb also bei der Vornahme der Wahlen, aber
in scharfem Widerspruch gegen die Grundsätze des Vorparla-
ments kündigte ein Ministerialerlaß vom 21. April in der
Wiener Zeitung an, daß die Regierung sich die Prüfung
jedes Beschlusses der deutschen Nationalversammlung vorbe-
halte, und keinen anerkennen werde, der mit den Interessen
Osterreichs und dem Charakter eines Staatenbundes nicht im
Einklange stehe. Es war ihr sehr erwünscht, daß Preußen
mit seinen Wahlen zum 1. Mai nicht fertig werden konnte,
und beide Mächte setzten also die Vertagung der Parlaments-
eröffnung bis zum 18. durch. In Wien benutzte man die
Zeit zu möglichst kräftiger Bearbeitung der Wahlen im groß-
deutschen Sinne des lockeren Staatenbundes, und erzielte
damit bedeutenden Erfolg. Weiter aber vermochte die Regie-
rung selbst nichts zu thun, da sie in Wien am 15. und
26. Mai neue Revolutionstage erlebte, in deren Folge die
kaiserliche Familie nach Innsbruck entfloh, und das Mini-
sterium wieder in völlige Abhängigkeit von der Wiener
Straßendemokratie gerieth.