170 Nationalversammlung und Reichsverweser. 1848
ersten deutschen Parlaments sich ein gerechtes Urtheil bewahren
will. Jene Männer hatten den Muth, an eine damals noch
unlösbare Aufgabe die Hand zu legen, in dem Bewußtsein,
daß von ihrer Lösung das Heil des Vaterlandes abhängig
war. Ihre Fehler wurden ihnen durch die Verhältnisse auf-
gedrängt; ihre Ziele sind zu bleibenden Richtpunkten für
Deutschlands Zukunft geworden.
Solche Gedanken lagen freilich am 18. Mai 1848 dem
deutschen Volke und seinen Vertretern fern, als die beinahe
sechshundert Abgeordneten unter Glockengeläut und Kanonen-
donner von dem alten Kaisersaale des Römers durch die ge-
schmückten Straßen Frankfurts und dicht gedrängte jauchzende
Volksmassen zu dem Orte ihrer Sitzungen, der Paulskirche,
hinschritten. Tiefe Bewegung, ernste Rührung und leuchtende
Hoffnung erfüllte die Herzen; sie wußten, welch’' ein uner-
meßliches Vertrauen ihrer Wähler, also des ganzen Volkes,
die Versammlung begleitete, wie unbedingtes Handeln und
Eingreifen in jeder Richtung von ihnen erwartet wurde. Zwar
der Bundesbeschluß vom 30. März hatte ihnen nur die Voll-
macht gegeben, gemeinsam mit den Regierungen eine Reichs-
verfassung zu erschaffen: die Inschrift aber über dem Präsi-
dentensessel in der Paulskirche forderte sie auf, dem Vater-
lande Glück und Größe zurückzubringen, und ihre überwältigende
Mehrheit fand darin den echten Ruf der Nation, und war
entschlossen, wo dieser Zweck es fordere, aus eigener Kraft zu
verfügen, zu regieren, zu constituiren. Dabei war diese Mehr-
heit zum größten Theile weder republikanisch noch revolutionär
gesinnt; im Gegentheil, aus einer Revolution hervorgegangen,
hatte sie keinen lebhafteren Wunsch, als eine feste monarchische
Ordnung an die Stelle des revolutionären Zustandes zu