Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Erster Band. (1)

1848 Heinrich von Gagern. 173 
deutschen Parlaments, und faßte dessen Aufgabe in die Worte 
zusammen: „wir sollen schaffen eine Verfassung für Deutsch- 
land, für das gesammte Reich. Der Beruf und die Voll- 
macht zu dieser Schaffung, sie liegen in der Souveränität 
der Nation.“ Ein langer Beifallssturm zeigte ihm, wie sehr 
er aus dem Herzen der Versammlung geredet hatte. „Die 
Schwierigkeit“, fuhr er dann fort, „eine Verständigung mit 
den Regierungen zu Stande zu bringen, hat das Vorparla- 
ment richtig vorgefühlt, und uns den Charakter einer con- 
stituirenden Versammlung vindicirt. Deutschland will Eins 
sein, regiert vom Willen des Volkes unter Mitwirkung aller 
seiner Gliederungen. Diese Mitwirkung auch den Staats- 
regierungen zu erwirken, liegt im Berufe dieser Versammlung."“ 
Wenn hiemit der Wunsch einer künftigen Verständigung 
mit den deutschen Fürsten angedeutet wurde, so war ihnen 
auf's Neue doch jedes eigene Recht zur Theilnahme an dem 
deutschen Verfassungswerke abgesprochen. Darüber sollte die 
Entscheidung allein bei den Vertretern der souveränen Nation 
verbleiben, und nicht darüber allein. Denn vom ersten Tage 
an war in allen Theilen der Versammlung die Meinung 
verbreitet, daß bei der gewitterschwangeren Lage Europas 
nichts dringlicher sei als die Schaffung einer provisorischen 
Centralgewalt, welche bis zur Einführung der künftigen Reichs- 
verfassung das Vaterland in fester Leitung vor innerem und 
dußerem Unheil behüte. Über die Gestaltung dieses Provi- 
soriums gingen allerdings die Ansichten weit auseinander. 
Die Radicalen hatten das Muster des französischen Convents 
von 1793 und seines Wohlfahrtsausschusses vor Augen, um 
in solcher Form die Allmacht der Nationalversammlung zu 
proclamiren und durch den Sturz der fürstlichen Regierungen
	        
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