Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Erster Band. (1)

178 Nationalversammlung und Reichsverweser. 1848 
herzog wohl annehmen, aber das preußische Volk würde in 
seinem Selbstgefühl schwer gekränkt, das Directorium also 
vorzuziehen sein. Ich bin ganz derselben Meinung, sagte 
Closen, indessen, wenn Preußen für den Erzherzog stimmt, 
kann auch Bayern nichts dagegen haben. 
Obgleich diese Außerungen völlig schwankend und ohne 
alle amtliche Bedeutung waren, galt es doch bereits am fol- 
genden Tage in der Nationalversammlung für eine sichere 
Thatsache, daß der König von Preußen den Erzherzog Johann 
von Österreich acceptiren würde. Am 21. redete Vincke in 
der Versammlung in diesem Sinne mit deutlicher Hinweisung 
auf Johann und die Zustimmung des Königs. Eine Anzahl 
kleinstaatlicher Abgeordneter wandte sich darauf ebenfalls dem 
Reichsverweser zu; ihre Regierungen hätten dabei wenigstens 
die Genugthuung, daß es dann Preußen und Bayern nicht 
besser gehe als ihnen. Im Laufe des Tags wurde Usedom 
weiter mitgetheilt, daß, wenn es überhaupt noch zu einem 
Directorium käme, es nicht aus Prinzen, sondern aus Privat- 
männern gebildet werden solle; zur Abwehr dieser republi- 
kanischen Einrichtung gebe es nur noch ein Mittel, die Wahl 
des Erzherzogs. Usedom war hienach sehr geneigt, für dieses 
Rettungsmittel selbst zu arbeiten; da empfing er mit Schrecken 
ein kurzes Telegramm aus dem Berliner Ministerium: Sie 
haben sich gegen jeden, auch prinzlichen Reichsverweser zu 
erklären — oder mit andern Worten: Sie haben im Namen 
Ihrer Regierung gegen die Wahl des Erzherzogs Verwahrung 
einzulegen und für die Durchsetzung des Ausschußantrags zu 
wirken. Und dies wurde ihm befohlen, während in Berlin 
das Ministerium Camphausen entlassen, ein neues Cabinet 
noch nicht gebildet war: und in einer solchen Lage sollte er
	        
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