190 Nationalversammlung und Reichsverweser. 1848
der definitiven Reichsverfassung vorzunehmen sei. Hienach
wurde nun am 12. verfahren. Herr von Schmerling be-
grüßte den Erzherzog, zählte zuerst die Befugnisse der neuen
Centralgewalt und dann jene des alten Bundestags auf —
wir haben gesehen, daß sie beinahe dieselben waren, und der
Unterschied wesentlich in der Beschaffenheit ihrer Träger lag:
hier ein durch die Forderung der Einstimmigkeit zur Nichtigkeit
verurtheiltes Collegium, dort alle Rechte in der Hand eines
einzigen unverantwortlichen Fürsten — und übertrug darauf
die Ausübung der bundestäglichen Rechte und Pflichten dem
Reichsverweser. Hiemit sieht die Bundesversammlung, schloß
er, ihre bisherige Thätigkeit als beendet an.
Es war nicht möglich, dem Erzherzog eine bequemere
Stellung zu bereiten. Wieder bot sich ihm die Wahl, je
nach Umständen als Erwählter des Parlaments mit verant-
wortlichen Ministern, oder als Mandatar des Bundestags
in völliger Unabhängigkeit zu regieren. Ja noch mehr, wenn
einmal das Parlament sich ihm feindselig zeigte, oder selbst
zu Grunde ginge, so enthielt die Theorie des Herrn von
Schmerling das Auskunftsmittel, wieder auf den nicht ver-
nichteten, sondern nur unthätig gewordenen Bundestag zurück-
zugreifen. Allerdings schien dergleichen undenkbar für jede
Regierung, von welcher das Gesetz vom 28. Juni, und da-
mit die Vernichtung des Bundestags und die Verantwortlich-
keit der Reichsminister anerkannt worden war; es erschien
doppelt undenkbar für den Reichsverweser, der zuerst als öster-
reichischer Regent der dortigen Bevölkerung seine Wahl durch
die Nationalversammlung verkündet, und dann in Frankfurt
als Reichsverweser das Gesetz vom 28. Juni zu halten gelobt
hatte. Das war auch die Meinung der Nationalversammlung,