Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Erster Band. (1)

1848 Aufschub des Verfassungswerkes. 195 
gerührt wurde. Auf der Stelle erhob sich der Streit zwischen 
Kleindeutschen und Großdeutschen, den Anhängern des Bundes- 
staats und den Verfechtern des Staatenbundes, mit einem 
Worte, zwischen Preußen und Osterreich. Auf beiden Seiten 
wünschte man den Bruch zu verdecken, fand dafür aber kein 
anderes Mittel als das negative, für's Erste die heikle Frage 
nicht zu berühren. Vor einem Vierteljahr hatten aus gleichem 
Grunde der Bundestag und das Vorparlament sie der National- 
versammlung zugeschoben; jetzt setzte diese ihre Hoffnung auf 
ein unbestimmtes Interim aliquid fit in der Zukunft. Die 
Freunde Osterreichs dachten, späterhin würde das Wiener 
Cabinet ihnen stärkern Rückhalt gewähren können als in seiner 
jetzigen trostlosen Lage. Die Anhänger Preußens aber hielten 
zur Zeit ihr Programm für unausführbar bei der Un- 
popularität des Königs in ganz Süddeutschland und in der 
Paulskirche selbst. So vereinigten sich Beide auf Vertagung 
der streitigen Frage bis nach der Feststellung der Grund- 
rechte. Offenbar aber war dies keine rettende Auskunft, sondern 
ein Symptom planloser Verlegenheit. Denn nichts war 
gewisser, als daß nach drei Monaten der Streit gerade so 
heftig wie heute entbrennen würde. Er lag unabweislich in 
den seit Jahrhunderten erwachsenen Zuständen. Wer eine 
bessere Einheit als die der alten Bundesacte wollte, konnte 
nicht zwei Großmächte in den Bundesstaat aufnehmen, und 
umgekehrt, wer Osterreich neben Preußen im Bunde zu haben 
begehrte, mußte sich mit einigen Verbesserungen des Staaten- 
bundes von 1815 begnügen. Einmal mußte dies ermittelt, 
einmal der Streit durchgefochten werden; je länger man zögerte, 
desto ungünstiger wurden die Aussichten für die National- 
versammlung. 
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