Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Erster Band. (1)

1848 Preußischer Ministerwechsel. 253 
verurtheilt, dann aber von dem Fürsten, dem Ein Opfer zum 
Ausdruck seiner Würdigung der Paulskirche genügte, begna- 
digt. Die Stellung Ssterreichs zur deutschen Einheit und 
Reichsgewalt war damit unauslöschlich charakterisirt: leider, 
wie wir sehen werden, konnte man sich lange Zeit in Frank- 
furt nicht entschließen, die blutige Schrift zu lesen. Auch 
in Berlin brachte die Wiener Revolution alle Gemüther in 
kochende Gährung. In dem Siege der Volkssache an der 
Donau sahen die preußischen Demokraten den Beginn des 
eigenen Triumphs, und in der Abendsitzung des 30. Octobers 
stellte Waldeck den Antrag, die Regierung aufzufordern, mit 
allen Kräften Preußens für die Sache der Freiheit in Oster- 
reich einzutreten. Dichtgedrängte Volkshaufen umlagerten das 
Sitzungslocal, drohten, jeden Gegner des Antrags aufzu- 
hängen, wollten vor der Annahme desselben keinen Abgeord- 
neten hinauslassen. Die Bürgerwehr war spärlich erschienen, 
schlaff und unlustig; mit Mühe wurde nach dem Sitzungsschluß 
der Ministerpräsident, der sehr liberale General von Pfuel, 
durch einen Führer der Linken, Georg Jung, vor der Miß- 
handlung durch den Pöbel geschützt. Diese Vorgänge brachten 
dann endlich auch den König zum Entschluß. Es war ein- 
leuchtend: bändigte Windischgrätz in Osterreich die Anarchie, 
so war auch in Preußen die Besserung des Zustandes möglich 
ohne tödtliche Gefahr, im entgegengesetzten Fall war der 
Versuch unerläßlich auf jede Gefahr. 
Schon im September hatte der König den aus Holstein 
zurückgekehrten General von Wrangel zum Oberbefehlshaber 
in den Marken ernannt; er befehligte dort drei Divisionen, 
und verkündete in einem drohenden Manifest, daß seine 
wesentliche Aufgabe der Schutz der Ordnung sei. Am 21.October
	        
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