Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Erster Band. (1)

254 Die Nationalversammlung und die Mächte. 1848 
wurde General Graf Brandenburg aus Breslau nach Pots- 
dam berufen; wir haben erwähnt, mit welch' fester Hand 
er während des Sommers in Schlesien jede Ruhestörung 
unterdrückt hatte. Auf ihn war schon seit Wochen die Auf— 
merksamkeit des Königs gelenkt worden, zunächst wohl durch 
General von Gerlach#), wie aus dessen Tagebüchern hervor- 
geht. Brandenburg war kein Fanatiker der Reaction, sondern 
bei unerschütterlicher Entschlossenheit in der Bekämpfung der 
Anarchie ein Mann von gemäßigter Gesinnung und vor- 
urtheilsloser Auffassung, in politischen Fragen nicht von 
schöpferischer Genialität, aber klarem Verstande, unbedingter 
Zuverlässigkeit und nicht zu beirrendem Ehrgefühl. Er zau- 
derte lange, sich mit der großen Aufgabe zu befassen, die 
völlig außerhalb seiner bisherigen Studien= und Wirkungs- 
kreise lag, der Bildung und Leitung eines die monarchische 
Ordnung rettenden Ministeriums, zumal die Genossen, an 
die er sich wandte, sich noch viel zweifelhafter zeigten als er. 
Einige Gespräche, welche Bismarck, ein eifriger und einfluß- 
reicher Mitarbeiter bei dem Rettungswerke, damals führte, 
charakterisiren die Lage. Als ihm Graf Brandenburg ein- 
mal erklärte, er wisse das hohe Vertrauen des Königs dankbar 
zu würdigen, aber er sei kein Staatsmann und unerfahren in 
politischen Geschäften, erläuterte ihm Herr von Bismarck, es 
handle sich zunächst um keine verwickelten Fragen, sondern 
einfach um die Herstellung der Ordnung und Gesetzlichkeit. 
Der Graf erwiderte: nun, wenn ich der Elefant sein soll, 
1) Daß die geheimen Geschichten über den 2. November von den 
buntesten, einander widersprechenden Angaben wimmeln, versteht sich. 
Schleiden's Behauptung (Erhebung Schleswig-Holstein's S. 188), Bis- 
marck habe damals noch keinen Einfluß geübt, beweist nur die Un- 
kenntniß seiner Gewährsmänner.
	        
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