Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Erster Band. (1)

1848 Thronwechsel und Ministerwechsel in Österreich. 265 
einer straff centralisirten bureaukratischen Verwaltung, wie sie 
in Osterreich außer wenigen Jahren unter Joseph II. niemals 
bestanden hatte. Schwarzenberg verkündete dem mittlerer 
Weile in das mährische Landstädtchen Kremsier berufenen Reichs- 
tag am 27. November sein Regierungsprogramm. Darin 
wurde die Einheit des Reichs gebührend betont, den getreuen 
Osterreichern einstweilen aber eine gemeinsame Verfassung, 
freie Gemeindeordnung und eine Anzahl trefflicher Reformen 
verheißen, da man zur Zeit die liberale Phrase noch nicht ganz 
entbehren zu können meinte. Darauf wandte sich die Rede zu der 
deutschen Frage: „OÖsterreichs Fortbestand als staatliche Ein- 
heit, hieß es, ist ein deutsches wic ein europäisches Bedürfniß. 
Von dieser Überzeugung durchdrungen, sehen wir der natür- 
lichen Entwicklung des noch nicht vollendeten Umgestaltungs- 
processes entgegen. Erst wenn das verjüngte Osterreich und 
das verjüngte Deutschland zu neuer und fester Form gelangt 
sind, wird es möglich sein, ihre gegenseitigen Beziehungen 
staatlich zu bestimmen.“ So weit war die Abweisung der 
Dahlmann'schen Paragraphen klar, immer aber mochte Gagern 
in den Worten des Ministers eine Bestätigung seines Systems 
des engern und weitern Bundes finden. Aber es folgte in 
der Rede noch ein Schlußsatz von bedenklicher Unbestimmt- 
heit: „Bis dahin — also bis zur Vollendung der beiden 
Verfassungen — wird Österreich fortfahren, seine Bundes- 
pflichten getreulich zu erfüllen.“ Abgesehen davon, daß 
Osterreich seit dem März nicht eine seiner Bundespflichten 
erfüllt hatte, und das Versprechen, hierin fortzufahren, an sich 
nur erheiternd wirken konnte — also hievon abgesehen, war 
es deutlich, daß die Verheißung der Pflichttreue auch die 
Wahrung der Osterreich zustehenden Bundesrechte in sich
	        
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