Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Erster Band. (1)

16 Feudale Verfassung. 
lands verzweigte österreichische Clientel. Obgleich man nicht 
sagen kann, daß sie die kräftigsten und zukunftreichsten Elemente 
des Reiches in sich schloß, hielt sie doch mit Eifer und Erfolg 
das Ansehen des kaiserlichen Namens in Deutschland aufrecht. 
Indessen hatte das Bild auch seine Kehrseite. Dem 
weiten Umfang seiner Gebiete und dem Stolze seiner An— 
schauungen entsprach die innere Stärke Osterreichs mit Nichten. 
Die Monarchie war ein loses Aggregat einer langen Reihe 
von Einzelstaaten, in deren jedem die landesherrliche Gewalt 
durch starke ständische Rechte beschränkt war. Erst Maria 
Theresia führte in der deutsch-böhmischen Gruppe derselben 
eine landesherrliche Verwaltung ein, welche den bis dahin 
fast allmächtigen Adel dem souveränen Willen der Krone 
unterwarf und zugleich die Bauern von der Last der grund- 
herrlichen Hörigkeit befreite. Es war ein sehr bedeutender 
Fortschritt, dessen Wirkungen jedoch nicht zu vollständiger 
Entwicklung gelangten, da die leitenden Stellen der neuen 
Verwaltung nach höfischem Brauche stets Mitgliedern desselben 
Adels zufielen, dessen Einfluß sie beschränken sollten; und 
andrerseits die Centralregierung während der Mitregentschaft 
Kaiser Joseph's II. durch dessen Zwistigkeiten mit der Mutter 
ihre sichere Haltung und feste Einheit verlor. Vollends in 
Belgien, sowie in Ungarn und dessen Nebenlanden blieb die 
alte feudale Landesverfassung aufrecht, und wies die Reform- 
versuche Joseph's II. siegreich zurück. In der größern Hälfte 
des Reiches hatte also die Regierung sich bei jedem wesent- 
lichen Schritte ihrer Politik, in Gesetzgebung oder Verwal- 
tung, bei Forderungen von Geld oder von Reeruten, mit 
mehrfachen, oft in verschiedener Richtung wirkenden Kräften 
auseinander zu setzen.
	        
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