1849 Das Reichswahlgesetz. 297
das allgemeine Stimmrecht als der Inbegriff des politischen
Ruins. Wer zu jener Zeit geweissagt hätte, daß achtzehn
Jahre später die preußische Regierung selbst es dem deutschen
Reiche bescheeren würde, wäre als ein Wahnsinniger verlacht
und vielleicht eingesperrt worden. Nun, großen Segen hat
die Einrichtung von 1867 dem Reiche nicht gebracht, und
weder für die richtige Logik noch für den praktischen Nutzen
des demokratischen Wahlgesetzes den Beweis geliefert: immer
aber wurden 1849 die Gefahren dieses Systems über alles
Maaß hinaus überschätzt. Ein Abgeordneter sagte: macht
eine Verfassung, wie ihr sie wollt; laßt mich aber das Wahl-
gesetz machen, wie ich es will, und ich werde regieren. König
Friedrich Wilhelm war ganz derselben Ansicht; ein Keiser-
thum mit allgemeinem Stimmrecht erschien ihm als giftiger
Hohn auf den monarchischen Gedanken und alle sociale
Ordnung. Seine damaligen Briefe strömten über von Ver-
wünschungen des Frankfurter Treibens und der ihm zuge-
dachten Schandkrone, die für ihn das Halsband des Leibeigenen
im Dienste der Revolution sein würde. Die Ansichten standen
also in der schärfsten Weise gegen einander.
Noch einmal aber traten Ereignisse ein, welche dem
Könige die Kehrseite der Münze in greller Beleuchtung vor
Augen rückten.