302 Die Katastrophe. 1849
aus Breslau, sonst ein Radicaler reinstes Wassers, welcher
aber im Fractionstreiben noch etwas Nationalgefühl sich be-
wahrt hatte, und jetzt, Anfangs zehn, bald aber dreißig Ge-
nossen um sich sammelte, und mit der Kaiserpartei ein Ein-
vernehmen über gemeinsames Handeln zu gewinnen suchte.
Sie wollten den demokratischen Charakter der Verfassung
bewahrt wissen, dann aber für die Kaiserwürde und deren
Erblichkeit stimmen. Demnach forderten sie also die Zusage
der Kaiserpartei, für die Aufrechthaltung des suspensiven Veto#
in der Gesetzgebung und der geheimen Abstimmung beim
Wahlgesetze einzutreten. Eine erste Mittheilung dieser Art,
noch vor dem Falle des Welcker'schen Antrags, war von den
Kaiserlichen abgelehnt worden; jetzt wuchs bei ihnen die
Neigung, auf die angebotene Coalition einzugehen. Gebrauchten
doch die Gegner seit Wochen ein solches Mittel rücksichtslos
zur Zerstörung der Verfassung: wer durfte ihnen einen Vor-
wurf machen, wenn sie dasselbe Verfahren zur Rettung der-
selben anwandten? Dazu kam, daß bereits in der ersten
Lesung beinahe die Hälfte der Partei für das suspensive Veto
und das Wahlgesetz gestimmt hatte, für diese also das ange-
botene Bündniß keinen Verzicht auf die eigene Meinung in
sich schloß. Die Andern aber entschied die einfache Erwägung,
daß sie ohne die Hülfe Simon's die Erblichkeit der Kaiser-
würde nicht erretten, und dennoch die Gegner an der Durch-
setzung des suspensiven Veto und der geheimen Abstimmung
nicht hindern könnten. So unterschrieben also 114 Mitglieder
der Kaiserpartei Simon's Forderung. Damit aber nicht genug.
Simon wollte sein Werk auch für die Zukunft gesichert wissen,
und begehrte ein weiteres Versprechen, die so beschlossene
Verfassung als endgültig zu betrachten, und für keine Ande-