Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Erster Band. (1)

314 Die Katastrophe. 1849 
Gedanken nicht mehr durch den Inhalt, sondern nur durch die 
Zeitfolge der zu ergreifenden Maaßregeln: die Reichsminister 
begehrten die Annahme der Oberhauptswürde, um dann die 
Verfassungsrevision folgen zu lassen, Camphausen konnte nur 
die vorläufige Bereitwilligkeit des Königs, die definitive An- 
nahme erst nach vollbrachter Revision erklären. 
Meine Mittheilung, berichtet dann Beckerath, machte 
Eindruck auf den König; er fühlte, daß er unserm Vorschlag, 
nach welchem nur die Abgeordneten aus den bereits bei- 
getretenen Staaten zur Revision berufen werden sollten, den 
Einwand eines revolutionären Verfahrens, den er sonst zu 
erheben liebte, nicht mehr entgegenstellen konnte; er fühlte 
auch das Gewicht der Gründe für ein muthiges Handeln, 
die ich seinen oft wiederholten Verheißungen in Bezug auf 
die deutsche Sache entnahm, und als ich auf seinen Ausruf: 
aber Sie erkennen ja selbst an, daß große Gefahr damit 
verbunden seil mir erlaubte, auf die Worte Ernst Moritz 
Arndt's hinzuweisen: die Gefahr sei stets für Preußen eine 
sieglockende Sonne gewesen, stand der König auf, ging erregt 
im Cabinet auf und nieder, und blieb dann mit den Worten 
vor mir stehen: Wenn Sie Ihre beredten Worte an Friedrich 
den Großen hätten richten können, der wäre Ihr Mann ge- 
wesen; ich bin kein großer Regent. 
Immerhin gab Beckerath nach diesem Gespräche die 
Hoffnung nicht völlig auf; noch am Morgen des 21. April 
schrieb er, daß zwar die Minister kleiumüthig seien, der Prinz 
und die Prinzeß von Preußen aber sich sehr verständig, die 
Lage vollkommen begreifend, aussprächen, und daß auch der 
König ihm nicht unbesiegbar erscheine. Zugleich stellten alle 
Nachrichten aus den Mittelstaaten nach der Auffassung
	        
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