1849 Ausgang der Nationalversammlung. 319
So sehr diese Gefühle dem patriotischen Herzen und der
politischen Einsicht Camphausen's zur Ehre gereichten, so wird
man doch anerkennen müssen, daß er über den wichtigsten
Factor in seiner Rechnung sich täuschte, in der Beurtheilung
des Königs. Die Aufgabe, deren Übernahme er dem Mon-
archen zumuthete, hätte gelautet auf Demüthigung der deutschen
Könige im Zusammenwirken mit den revolutionären Volks-
massen, gleich nachher auf Niederwerfung der republikanischen
Partei und den dabei höchst wahrscheinlichen Bruch der be-
schworenen Verfassung, endlich auf einen großen Krieg gegen das
von Rußland unterstützte Osterreich, welches gutwillig dem neuen
Oberhaupte nie die erste Stelle in Deutschland eingeräumt
hätte. Das Alles hätte vielleicht ein Friedrich der Große
unternommen und durchgesetzt: aber der König, wie er es
selbst gegen Beckerath aussprach, war kein Friedrich. Zu
Krieg und Verfassungsbruch, sagte mir etwas später sein da-
maliger Kriegsminister von Strotha, ist unser gnädigster Herr
zu friedliebend und zu religiös. In unlösbarem Widerspruch
mit dem ganzen Unternehmen stand seine gesammte Welt-
auffassung, jede seiner Tugenden und jede seiner Schwächen.
Und wäre ihm trotz alledem der Sieg über Schwierigkeiten
und Feinde gelungen, wie viele Aussichten auf dauerhaften Be-
stand hätte das so aufgeführte Gebäude in der Nation gehabt?
Auch war es nicht der König allein, welcher sich dem Ver-
suche jener Vermittlungspolitik versagte. Die National-=
versammlung blieb ebenso fest auf dem Princip ihrer consti-
tuirenden Allmacht, erließ demgemäß ihre Befehle in alle
deutschen Lande, ohne jegliche Wirkung, als steigende Auf-
regung des Volkes in einige Landschaften, und vertiefte mit
jedem Schritte die Kluft, die sie von dem preußischen Mon-