Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Erster Band. (1)

332 Das Dreikönigsbündniß. 1849 
für die Sache der monarchischen Ordnung zu gewinnen. 
Radowitz fand also den Beifall seines königlichen Herrn für 
den Vorschlag, den Frankfurter Verfassungsentwurf der eigenen 
Arbeit zu Grunde zu legen, und nur die vom conservativen 
und fürstlichen Standpunkte aus nothwendigsten Änderungen 
und Streichungen daran vorzunehmen. So wurden die 
directen Wahlen nach allgemeinem und gleichem Stimmrecht 
beseitigt, und dafür indirecte an die Stelle gesetzt, bei welchen 
die Urwähler, nach ihrem Vermögen in drei Classen gesondert, 
die Wahlmänner ernennen sollten. In den Grundrechten 
griffen zahlreiche Modificationen mit Rücksicht theils auf die 
öffentliche Ordnung, theils auf die Mannigfaltigkeit der localen 
Zustände, Platz. In dem Reichstag sollte bei der Budget- 
berathung das Staatenhaus gleiche Berechtigung mit dem 
Volkshause erhalten, und kein Gesetz ohne Zustimmung der 
Reichsregierung Rechtskraft gewinnen. Die Competenz der 
Reichsgewalt gegenüber den Einzelstaaten wurde genau ab- 
gegrenzt, und directe Eingriffe in deren Verwaltung auf 
wenige Fälle beschränkt. Endlich wurde die Stellung der 
deutschen Fürsten, verglichen mit der Frankfurter Aufstellung, 
erheblich verbessert. An die Stelle des erblichen Kaisers trat 
ein Fürsten-Collegium, gebildet durch Preußen, Bayern und 
vier Curiatstimmen der Ubrigen, und neben demselben als 
Reichsvorstand der König von Preußen. Zwischen beiden 
waren die Geschäfte in der Art vertheilt, daß das Fürsten- 
Collegium die verfassungsmäßige Mitwirkung bei der Gesetz- 
gebung ausübte, dem Reichsvorstand aber die Executivgewalt, 
also die eigentliche Regierung, übertragen wurde. Hiemit meinte 
Radowitz das particulare Selbstgefühl der Fürsten versöhnt 
zu haben, eine Hoffnung, welcher allerdings eine starke
	        
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