1849 Pfordten's Unterhandlung in Berlin. 343
grenze. Am 23. Juli ergab sich ihre letzte Zufluchtsstätte,
Rastadt, auf Gnade und Ungnade, und überall nahmen die
landesherrlichen Behörden ihre Thätigkeit wieder auf. Die
Bevölkerung, welche durch das wüste Treiben der revolutionären
Führer und ihrer Genossen aller Orten schwere Einbußen
erlitten hatte, war auf lange Zeit von allen Umsturzgelüsten
gründlich geheilt. Noch nach mehreren Jahren konnte man
in Baden den Spruch hören: die Kammern sind liberaler
als das Volk, die Minister liberaler als die Kammern, der
Großherzog Friedrich ist liberaler als sie Alle.
Seit dem 21. Juni hatte sich also der preußische Sieges-
lauf bis zum Bodensee unaufhaltsam und glänzend voll-
zogen, während ganz ähnliche Erfolge in Jütland gegen die
Dänen erstritten wurden. Sehr selten hatten die preußischen
Fahnen sich auf so weiten Länderstrecken triumphirend ent-
faltet. Der Eindruck war für den Augenblick bedeutend.
Hätte am 22. Juni Graf Brandenburg die deutschen Regie-
rungen auffordern dürfen, binnen acht Tagen ihre Annahme
oder Ablehnung der Verfassung vom 26. Mai einzusenden,
und zugleich erklärt, daß am 1. Juli in den zustimmenden
Staaten die Abgeordneten-Wahlen zum ersten Reichstag aus-
geschrieben würden: die Zahl der Ablehnenden wäre sehr,
sehr gering gewesen. Um Zeit zu gewinnen, eilte der baye-
rische Minister von der Pfordten gleich am 23. Juni selbst
nach Berlin und verhandelte vierzehn Tage lang über Modi-
ficationen der Reichsverfassung, natürlich ohne Erfolg, da er
den Eintritt Osterreichs in den Bundesstaat und abwechseln-
des Bundespräsidium zwischen Osterreich und Preußen,
übrigens aber die Überweisung der ganzen Regierungsgewalt
an das Fürsten-Collegium, also Wegfall des Reichsvorstandes