22 Friedrich der Große.
herrschenden Einflusses im deutschen Reich, wo es fortan auf
Schritt und Tritt mit dem Wirken des gefürchteten und
gehaßten Nebenbuhlers sich abzufinden hatte. Wir bemerken
hiebei, daß dieser Streit keineswegs im nationalen Sinne
oder um eine bessere Verfassung des deutschen Volkes geführt
wurde. Auf beiden Seiten handelte es sich lediglich, hier
um österreichische, dort um preußische Zwecke. Man hat wohl
geglaubt, Friedrich habe 1756, bereits von Osterreich bedroht,
nur deshalb mit Frankreich gebrochen und damit die furcht-
baren Gefahren des siebenjährigen Kriegs auf sich genommen,
um im Verein mit England den Boden des deutschen Vater-
landes vor einer französischen Invasion zu bewahren. Wir
wissen aber jetzt urkundlich, daß dies ein Irrthum ist, daß
Friedrich das französische Bündniß (und damit das Einrücken
französischer Truppen in Hannover) der englischen Verbin-
dung vorgezogen hätte, wenn jenes noch für ihn zu haben
gewesen wäre. Um so schlagender tritt beim Ausgange des
Kriegs die Thatsache hervor, wie sehr die Interessen Deutsch-
lands mit den preußischen zusammenfielen, während sie dem
Wiener Hofe abseits lagen. Wäre Österreich der Sieg ge-
blieben, so hätte es Ostpreußen den Russen und Belgien dem
französischen Protectorate überliefert, und bei der Wieder-
gewinnung Schlesiens dadurch keine Schmälerung seiner
europäischen Machtstellung erlitten.
Welch eine Bedrohung Deutschlands aber in jenen Ab-
tretungen gelegen hätte, bedarf keiner Erörterung; die Nieder-
lage Preußens wäre zugleich ein Stoß in das Herz der
deutschen Selbständigkeit gewesen. Friedrich's glorreicher
Widerstand wandte diese Verluste von Deutschland ab, ohne
daß er einen andern Gedanken als den an die Unabhängigkeit