Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Erster Band. (1)

1850 Die Frage über die Enbloc-Annahme der Verfassung. 361 
Verfassung erfolgen sollte, nach dem Willen des Königs aber 
bis nach der Revision und deren Bestätigung durch die Fürsten 
ausgesetzt, und damit völlig in das Unbestimmte verschoben 
blieb. Und damit nicht genug, sie sollte nach seiner Meinung 
ja erst Statt finden nach der Constituirung des weitern Bundes 
mit ÖOsterreich und einer dadurch bedingten nochmaligen Re- 
vision der Unionsverfassung. Es ist einleuchtend, daß damit 
die ganze Sache hoffnungslos war. Warum dies nicht auf 
der Stelle erklären? Der Sinn des Königs wurde eben nicht 
durch politische Erwägung, sondern durch subjective Gefühle 
bestimmt. Es erschien ihm edelmüthig gegen Osterreich, nicht 
rascher mit dem Bundesstaat als mit Wien voran zu gehen; 
es erschien ihm edelmüthig gegen die schutzbedürftigen Klein- 
staaten, diesen nicht vor der Zeit das preußische Schutzbündniß 
zu kündigen. Daß es einem Könige nicht verstattet ist, auf 
Kosten des ihm anvertrauten Staats großherzig gegen Dritte 
zu sein, ebenso wie ein Vormund nicht auf Kosten seines 
Mündels großherzig gegen dessen Schuldner sein darf, davon 
hatte Friedrich Wilhelm kein Bewußtsein. Mit seinem viel- 
seitigen Edelmuth verstrickte er Preußen in ein Unternehmen, 
dem er selbst bei jedem Schritte die Wurzeln abgrub, um 
es endlich in einer für Preußens Ehre schwer bedenklichen 
Weise aufgeben zu müssen. 
Als das Parlament am 20. März 1850 zusammentrat, 
zeigte sich sogleich, daß für die unbedingte Gesammtannahme 
der Verfassung und der Zusatzacte eine ganz entschiedene Mehr- 
heit gesichert war. Kein Demokrat saß in der Versammlung; 
die Stimmführer für die Enbloc-Annahme waren neben Simson 
und Gagern, Beseler und Vincke, die frühern preußischen 
Minister von Bodelschwingh und Ludolf Camphausen, die
	        
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