Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Erster Band. (1)

1850 Gejpräch mit dem Fürsten Schwarzenberg. 389 
Über die weitern Gespräche am 29. Mai ließ der Prinz 
folgende Angaben nach Berlin gelangen. Einen bindenden 
Anspruch über sein Verhalten in der deutschen Frage wird 
Kaiser Nikolaus vor dem Abschlusse des dänischen Friedens 
nicht geben. Über Osterreichs Absichten in Frankfurt weicht 
Schwarzenberg jeder Eröffnung aus. In Betreff eines neuen 
deutschen Interims zeigt er sich entgegenkommend, und stellt 
auch jede kriegerische Absicht gegen die Union in Abrede; 
freilich könnte bei gewissen Eventualitäten Osterreich gezwungen 
sein, zum Schwerte zu greifen. Osterreich und Rußland sind 
der Union hauptsächlich wegen ihrer constitutionellen Grund- 
lage entgegen. Rußland erblickt darin die Revolution. Öster= 
reich, welches seine Verfassung im ersten günstigen Moment 
beseitigen will, sieht in der constitutionellen Union ein an- 
steckendes Beispiel für seine Völker. In Deutschland soll 
eben gar nichts geschehen, weil Osterreich bei positiven Ein- 
richtungen nicht mitgehen könnte. Kaiser Nikolaus wünscht 
geradezu, daß auch Preußen durch einen Staatsstreich alles 
constitutionelle Wesen bei sich vertilge. 
So verlief die Zusammenkunft ohne ein greifbares Er- 
gebniß außer dem schon bekannten, daß der Zar die Union 
mit Mißtrauen, die Herstellung des Bundestags mit Sym- 
pathie betrachtete. 
Wie sehr übrigens dem mächtigen Herrscher die reactio- 
nären Wünsche am Herzen lagen, und wie gründlich er 
von seinem Berufe der Oberaufsicht über die politische 
Ordnung in ganz Europa durchdrungen war, zeigte er, kurze 
Zeit nach der Rückkehr des Prinzen, in einem beispiellosen 
Vorgang. Im Juni hatte er zu einem großen Manöver bei 
Warschau den Grafen Friedrich Dohna, Commandirenden des
	        
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