Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Erster Band. (1)

1850 Radowitz wird Minister des Auswärtigen. 425 
Man mußte bald erfahren, daß man hiermit die Contro- 
verse auf einen rechtlich unsichern Boden verlegt hatte. 
Fürst Schwarzenberg erläuterte auf die preußische Mit- 
theilung, nach Preußens eigenem Grundsatz, keine deutsche Regie- 
rung zur Union zwingen zu wollen, dürfe es die in Frank- 
furt vertretenen Staaten nicht abhalten, ihre inneren An- 
gelegenheiten unter sich zu ordnen: würde Preußen jetzt mit 
einer so neuen und jedes Rechtstitels entbehrenden Anmaaßung 
hervortreten, so sei Osterreich entschlossen, Gewalt mit Gewalt 
abzuweisen. Radowitz entgegnete, Preußen erhebe einstweilen 
gegen Kurhessen keine Ansprüche aus dem Unionsvertrag, 
sondern mache, wie es dies bei jedem andern Staate thun 
würde, seine eigenen Lebensbedingungen geltend, zu denen in 
erster Linie die Sicherheit gehöre, daß Kurhessen und die dort 
belegenen preußischen Etappenstraßen von keiner fremden 
Streitmacht besetzt würden. Dies lag allerdings im Interesse 
Preußens, aber so lange ihm die vertragsmäßige Benutzung 
der Etappenstraßen nicht gestört wurde, hatte es offenbar 
keinen Rechtsanspruch darauf, dem souveränen Kurfürsten 
eine zeitweise Heranziehung befreundeter Truppen auf sein 
Gebiet zu verwehren, so wenig es selbst den Protest Schwarzen= 
berg's gegen die Verlegung badischer Truppen in preußische 
Garnisonen und umgekehrt beachtet hatte. Im Fortgang der 
Verhandlungen zeigte dann Radowitz in Wien an, daß der 
König bereit sei, sämmtliche Streitfragen in alter Freund- 
schaft vereint mit dem Kaiser von Osterreich zu regeln, und 
zwar die hessische und die holsteiner durch gemeinsame Com- 
missare der beiden Mächte, die deutsche Verfassungsfrage durch 
freie Conferenzen aller deutschen Regierungen. Diese Vor- 
schläge, durch welche die Mittelstaaten sich wieder mit einer
	        
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