1850 Beiderseitige Rüstungen. 427
Wien, ohne irgend welche Rücksicht auf Preußens Widerspruch
kräftig vorzugehen. Die neuesten preußischen Vorschläge über
gemeinsame Commissare und freie Conferenzen wurden ab-
gelehnt, und die ausschließliche Befugniß des Bundestags in
jeder Beziehung behauptet. Am 11. October hatten die Mon-
archen und leitenden Minister von Osterreich, Bayern und
Württemberg eine persönliche Zusammenkunft in Bregenz, woa
ein Schutz= und Trutzbündniß gegen Preußen und die Auf-
stellung eines Heeres von 200000 Mann verabredet, bei der
Mahlzeit kriegsathmende Trinksprüche ausgebracht, und durch
den König von Württemberg die offene Erklärung abgegeben
wurde: wenn der Kaiser ruft, marschiren wir. Ich bin stolz
darauf, antwortete der Kaiser, mit solchen Kameraden vor
den Feind zu gehen.
Ein Zweifel über Osterreichs Gesinnung war fortan
nicht mehr möglich, jedoch ließ Stockhausen auch jetzt von
„weiteren Vorkehrungen“ nichts vernehmen, und Radowitz
erklärte sich überzeugt, daß hinter den großen Worten der
Gegner geringe Thatlust liege. Nur in einem Falle glaubte
er an Krieg, wenn nämlich Rußland ebenfalls gegen Preußen
marschiren lasse. Nun meldete so eben General von Rochow aus
Petersburg, daß Kaiser Nikolaus wieder einen längern Auf-
enthalt in Warschau zu nehmen gedenke, und so wurde be-
schlossen, noch einmal eine persönliche Einwirkung auf ihn zu
versuchen, und ihn zu überzeugen, daß Preußen bei seinem
Widerstande gegen den Bundestag nur preußische und keines-
wegs demokratische oder revolutionäre Politik treibe. Zu der
wichtigen Mission wurde kein geringerer als der preußische
Ministerpräsident, Graf Brandenburg, ausersehen. Um den
Ansichten des russischen Herrschers soweit wie möglich