Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Erster Band. (1)

Die feudale Partei. 33 
pflicht, Verwahrung eingelegt, weil dadurch die Bauern der 
Herrschaft der Grundherren entzogen und unter die Gewalt 
des Königs gestellt würden. Die Aufhebung der Erbunter- 
thänigkeit der Bauern bedeutete in ihren Augen den Umsturz 
der gesammten socialen Ordnung. Jedesfalls meinten sie, 
wenn der Bauer nicht mehr Unterthan des Gutsherrn bleibe, 
müsse das bisher ihm anvertraute Grundstück an die Herr- 
schaft zurückfallen; dann möge er im Genusse der neuen 
Freiheit zusehen, wo er bei Wind und Wetter anderwärts 
Unterkunft finde. Sie waren entrüstet, daß fortan auch 
Bürgerliche Rittergüter kaufen und Officiere werden könnten, 
daß die weitern Pläne der Reformpartei sogar die Steuer- 
privilegien und die Patrimonialgerichte des Adels bedrohten. 
Und was wäre vollends zu erwarten, wenn aus einer so 
nivellirten Gesellschaft mächtige Reichsstände hervorgingen; 
damit würde der Weg zu allen Zerstörungen der großen fran- 
zösischen Revolution, zum Zerfall der Monarchie und des 
ganzen Staatsgebäudes eröffnet. Der König selbst war nicht 
immer frei von solchen Sorgen; Jahre lang widerstrebte er 
der Verkündung der allgemeinen Wehrpflicht, und hatte besonders 
schwere Bedenken gegen die Einführung von Reichsständen. 
Indessen wußte ihn Hardenberg allmählich auch für den Plan 
einer reichsständischen Verfassung zu gewinnen, so daß er den- 
selben 1810 in einem Finanzgesetze öffentlich erwähnen durfte. 
Während Stein und Scharnhorst die politische Mündig- 
keit des Volkes zur Grundlage ihrer Rüstungen machten, 
setzten sie in nicht minder idealem Sinne dem Freiheitskriege 
als höchste Aufgabe die Schöpfung eines festgeeinten Deutsch- 
land. Zu eindringlich war die Lehre der letzten Jahre ge- 
wesen: an seiner Zersplitterung war Deutschland zu Grunde 
v. Sybel, Begründung d. deutschen Reiches I.
	        
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