Opposition der Beamten. 65
keine neue Anleihe ohne Zustimmung der Reichsstände ge-
macht, und über den Stand der Staatsschuld den Reichsständen
jährlich Rechnung gelegt werden sollte. Etwas beunruhigt
hatten ihn freilich schon vorher die Klagen der süddeutschen
Bundesfürsten über das unbändige Treiben ihrer Kammern,
und nun folgten sich im Laufe des Jahres 1820 die Schreckens-
nachrichten: Revolution in Spanien und in Portugal, in
Neapel, in Piemont und in Griechenland. Halb Europa
schien durch ein fortdauerndes Erdbeben erschüttert: war dies
eine Zeit, um das Fundament der preußischen Monarchie, die
Vollgewalt der Krone, zu ändern? Ein großer Theil der
höheren Beamten verneinte diese Frage in energischer Weise.
Mehr als ein Drittel des Staats, aus den verschiedenartigsten
Bruchstücken zusammengesetzt, sei erst seit wenigen Jahren er-
worben oder nach einer umwälzenden Fremdherrschaft wieder
zurückgewonnen. Um hier eine festgeschlossene Staatseinheit
herzustellen, habe man mit Eifer alle Zweige der Verwaltung
neu gestalten müssen; noch stehe man mitten in dieser Arbeit;
noch seien die Kriegsschäden nicht geheilt, das Deficit nicht
beseitigt; und nun solle man es wagen, die sichere Leitung
der Reform dem Dreinreden einer Volksvertretung auszusetzen,
die vielleicht nach ihrem Ursprung mit provinzialem Sonder-
thum, vielleicht nach der Strömung des Zeitgeistes mit dema-
gogischer Herrschsucht erfüllt, jedesfalls aber kenntnißlos und
unerfahren sein würde? Das hieße die Macht der Krone und
vielleicht die Einheit des Staats muthwillig einer tödtlichen
Gefahr aussetzen. Neben dieser bureaukratischen Opposition
war zu gleichem Zwecke, wenn auch aus sehr verschiedenen
Beweggründen, die feudale thätig. Wie jene verwarf sie die
Reichsstände, aber nicht, weil sie eine Störung, sondern weil
v. Sybel, Begründung d. deutschen Reiches. I.