70 Erlöschen der nationalen Gesinnung.
bleiben würde, wer hätte damals wohl Alles aufgeopfert,
solches Resultates halber? Die Aufstellung jener Frage ver-
pflichtet auf das Heiligste, einem Volke von eilf Millionen den
Platz zu erhalten, welchen es durch Aufopferungen erlangte,
die weder früher gesehen worden, noch werden gesehen werden.
Aber hieran will man nicht mehr denken.“
Der diese von dem Geiste des Befreiungskrieges durch-
glühten Worte schrieb, war kein Revolutionär, sondern Prinz
Wilhelm von Preußen, der spätere deutsche Kaiser.
Das also war die Summe der Thätigkeit des Bundes-
tags während des ersten Jahrzehntes seines Bestehens: die
Schöpfung einer Polizeigewalt, die an kein Gesetz gebunden,
und eines Bundesheers, welches der alten Reichsarmee zum
Verwechseln ähnlich war. Nach Innen unfruchtbar und
despotisch, nach Außen abhängig und wehrlos, so stellte sich
damals der deutsche Bund dem deutschen Volke dar. Als
die französischen Soldaten 1806 in den Schmutz der pol-
nischen Straßen bis an die Knie einsanken, riefen sie: et
cela s'appelle une patrie! Zwanzig Jahre später dachten
die Deutschen: und dies Deutschland wäre eine Vaterland?
Seitdem das gesetzliche Organ der deutschen Einheit jeden
Gedanken an eine wirkliche Einheit als Criminalverbrechen
bezeichnet hatte, war Deutschland, wie Italien nach Metternich's
Wort, ein geographischer Begriff ohne politische Bedeutung
geworden. Auch von dem deutschen Vaterlande galt, was
Prinz Wilhelm über Preußens Ruhm von 1813 gesagt: es
war davon nur die Erinnerung und keine Realität übrig
geblieben.
Wenn man einem emporstrebenden Geschlechte das Vater-
lanb zerstört, so ist die Folge unausbleiblich, daß seine geistige