Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Zweiter Band. (2)

180 Neues Bündniß zwischen Österreich und Preußen. 1854 
man zog große Truppenmassen in Ungarn zusammen, und 
erwiderte am 25. Februar den Westmächten, daß man eine 
energische Aufforderung nach Petersburg sende, die Fürsten- 
thümer in Erfüllung des Begehrens der Westmächte zu 
räumen, im entgegengesetzten Falle die Verantwortung der 
Folgen dem russischen Cabinet zuschiebe, und fortan nur die 
eigenen Interessen Osterreichs zur Richtschnur seines Handelns 
nehmen werde. 
Über Preußen berichten wir etwas ausführlicher. 
Dort hatte die orientalische Verwicklung vom ersten 
Tage an die Gemüther weit und breit im Lande lebhaft 
bewegt. Wer irgendwie liberale Stimmungen gehabt, wer für 
die deutsche Einheit geschwärmt, wer über Olmütz und 
Schleswig-Holstein getrauert hatte, sah mit Jubel, wie Ruß- 
lands Ehrsucht immer wachsende Gefahren über sich herauf- 
beschwor. Eine neue Zeit der Freiheit meinte man anbrechen 
zu sehen, wenn der nordische Vorkämpfer des Despotismus 
unter den Streichen des vereinten Europa zusammenbreche. 
Es schien der großen Mehrheit des Volkes undenkbar, daß 
Preußen, auf welchem Rußlands feindselige Wucht am 
schwersten gelastet hatte, sich dem allgemeinen Strome nicht 
anschließen sollte. Hier sei, meinte man, wieder einmal eine 
Gelegenheit geboten, wo Preußen durch eine kühne Politik 
sich mit einem Schlage an die Spitze Deutschlands empor- 
schwingen und der ganz Europa beengenden russischen Über- 
macht für immer ein Ende machen könnte. Diese Ansichten 
gingen hoch in einflußreiche Kreise hinauf. Eine Gruppe 
vornehmer Beamten und Diplomaten, die Grafen Goltz und 
Pourtales, die Geheimräthe Bethmann-Hollweg und Mathis, 
die sich zur Bekämpfung der feudalen Tendenzen ein eigenes
	        
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