Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Zweiter Band. (2)

1854 Streitende Tendenzen in Preußen. 181 
Organ, das Preußische Wochenblatt, gegründet hatte, mahnte 
dringend zum Zusammenwirken mit den Westmächten. Baron 
Bunsen, damals preußischer Gesandter in London, entwarf 
mit den englischen Staatsmännern eine neue Karte Europas, 
auf welcher die Grenzen Rußlands stark zurückgeschoben waren. 
Der Kriegsminister Bonin sah keinen Grund, unter den ge- 
gebenen Verhältnissen einem Bruche mit Rußland auszuweichen. 
Der Thronfolger selbst, der Prinz von Preußen, neigte auf 
diese Seite; er fand, nachdem Rußland muthwillig der Störer 
des europäischen Friedens geworden, gebühre jenem eine 
scharfe Lection, und dem übrigen Welttheil eine Sicherung 
vor der Wiederkehr ähnlicher Gefahren. 
Aber an den entscheidenden Stellen in Berlin machten 
sich ganz andere Auffassungen geltend. 
Deer leitende Minister, Herr von Manteuffel, welcher 
seinen Olmützer Vertrag durchaus nicht als eine Niederlage 
betrachtete, fühlte sich durch dic schmetternden Signale der 
liberalen Kriegslust weit mehr abgestoßen als angefeuert. 
Immerhin erkannte er, und noch entschiedener sein damals 
einflußreichster Referent, Balan, Rußlands schweres Unrecht 
an, und hatte mithin ohne Zaudern Preußen in die Wiener 
Conferenz eintreten, allen Beschlüssen derselben zustimmen 
lassen, und gedachte damit ferner fortzufahren. Ob auch mit 
gewaffneter Hand? wer will es sagen? Gewiß ist, daß er 
nach seiner kühlen, oft apathischen Natur nicht eine kühne, 
sondern eine gefahrlose Politik zu machen wünschte: und so 
lag der Gedanke nahe, daß eine feste Einmüthigkeit der vier 
Mächte auch ohne Kriegsdrohung schließlich den russischen 
Monarchen zur Nachgiebigkeit bestimmen, und so die Her- 
stellung des Friedens bewirken würde.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.