300 Antritt der Regentschaft. 1858
schließe mit der Bitte, daß du für mich und das Vaterland
und das schmerzlich berührte Königspaar beten mögest. Dein
Wilhelm.
Die königliche Verkündigung, welche den Prinzen zur
lbernahme der Regentschaft aufforderte, wurde am folgenden
Tage veröffentlicht. Die erste Maaßregel des Prinzen war
die sofortige Entlassung Westphalen's, und die Berufung des
Oberpräsidenten von Flottwell, eines verdienten, hochange-
sehenen, jetzt aber altersschwachen Verwaltungsbeamten, an
dessen Stelle.
Nicht mit leichtem Herzen, aber mit festem Entschlusse
begann der Prinz seine fortan selbständige Regierung. Noch
ehe der October zu Ende ging, berief er den Landtag zur
Anerkennung der Regentschaft, und leistete in dessen Gegen-
wart den Eid auf Beobachtung der Verfassung. Er sprach
das Gelübde in tiefem Ernste aus, obgleich mehr als ein Satz
der Verfassung ihm schwere Bedenken von jeher erweckt hatte.
Er meinte damals, wie er es einmal später dem Groß-
herzog von Weimar schrieb, der Welt zu zeigen, daß es mög-
lich sei, selbst mit einer mißlichen Verfassung zu regieren,
wenn man eine conservative Basis beibehalte, und Ehrenmänner
zur Durchführung eines solchen Systems als Helfer erwähle.
Er hatte sich jetzt definitiv für ein Ministerium Hohenzollern-
Auerswald entschieden, und in dieser Combination gab es aller-
dings für Bismarck keine Stelle. Fachminister ohne ausge-
sprochene politische Tendenz wurden Herr von Flottwell,
Herr von Schleinitz und als Kriegsminister General von Bonin,
der Leidensgenosse des Prinzen bei der Ungnade von 1854.
Dic Partei des preußischen Wochenblattes lieferte Herrn von
Bethmann-Hollweg als Minister des Cultus, und den Grafen