Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Zweiter Band. (2)

1858 Intermezzo in Bayern. 303 
Angabe einiger allgemeiner Richtpunkte. Mit allen Groß- 
mächten Friede und Freundschaft, aber keine Beschränkung 
der eigenen Selbständigkeit durch frühzeitige Tractate. In 
Deutschland habe Preußen moralische Eroberungen zu machen 
durch die Weisheit seiner eigenen Gesetzgebung und durch die 
Ergreifung von Einigungselementen, wie z. B. dem allerdings 
reformbedürftigen Zollverein. Die Welt müsse wissen, daß 
Preußen überall das Recht zu schützen bereit sei. Alle diese 
Sätze konnten in der Allgemeinheit, wie sie hier erschienen, 
theils nichtssagend, theils gefährlich erscheinen; im Sinne des 
Regenten bezogen sie sich sämmtlich auf deutsche, damals 
schwebende Fragen, und wir werden demnächst wahrnehmen, 
wie genau und zutreffend sie für diese bemessen waren. 
Die Einsetzung des neuen, mit einigen liberalen Namen 
geschmückten Ministeriums, hatte sehr bald gewaltige Wirkung 
in der Nähe wie in der Ferne. In München stand zwischen 
der Regierung und der zweiten Kammer schon seit längerer 
Zeit ein zäher, stets an Erbitterung wachsender Streit, so daß 
unter Zustimmung des Königs die Minister von der Pfordten 
und Graf Reigersberg, der Eine nach seiner sanguinischen, 
der Andere nach seiner herrischen Natur, sich mit dem Ge- 
danken eines kleinen Staatsstreichs, Auflösung der Kammer, 
Octroyirung eines neuen Wahlgesetzes, und was sonst solche 
Rettungen zu begleiten pflegt, zu tragen begannen. Freilich 
mußte man bei dem Eintritt der preußischen Krisis inne halten: 
bei einer liberalen Entwicklung in Preußen war ein Ver- 
fassungsbruch in Bayern doch unmöglich. Indessen schickte 
der bayerische Gesandte in Berlin fortdauernd die fröhlichsten 
Nachrichten: daß das Ministerium Manteuffel fester als jemals 
stehe, erfuhr er noch in den letzten Octobertagen aus der
	        
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