308 Antritt der Regentschaft. 1858
dicht bis an den entschiedenen Bruch herangeführt: so fand
während der Stellvertretung der Prinz von Preußen die
Verhältnisse Europas vor.
Es war natürlich, daß jeder Freund Osterreichs als das
wirksamste Schutzmittel gegen alle solche Gefahren die Her-
stellung eines echten Einverständnisses zwischen den beiden
deutschen Großmächten betrachtete und herbeiwünschte. In
erster Linie stand hiebei England, sowohl das Tory-Ministerium
Derby, als auch persönlich die Königin Victoria und der
Prinz-Gemahl. Die Herrschaften waren soeben mit dem
Prinzen und der Prinzessin von Preußen in enge Familien-
verbindung durch die Vermählung ihrer Kinder, des Prinzen
Friedrich Wilhelm und der Prinzeß Royal Victoria, getreten
(17. Januar 1858), wobei sich insbesondere zwischen den
beiden hohen Müttern ein Band warmer Freundschaft geknüpft
hatte. Schon nach der Verlobung des jungen Paares hatte
die Prinzessin von Preußen am 12. April 1856 an den
Herzog von Coburg geschrieben: Gott segne die Verbindung
für die geliebten Kinder, für unsere Familie, und für das
arme deutsche Vaterland, das sich naturgemäß nur im Bunde
mit England aus seiner jetzigen Lage erheben kann! 1) Bund
mit England bedeutete aber 1858 nichts Anderes als Freund-
schaft mit Osterreich. Lebhaft vertreten wurde diese Tendenz
auch durch den König Leopold I. von Belgien, der in früherer
Zeit sich von dem preußischen Hofe mißachtet geglaubt, und
deßhalb sich fest an Österreich angeschlossen hatte, jetzt aber
mit peinlichem Mißtrauen auf den gefährlichen Nachbar in
den Tuilerien hinblickte, und seinen ganzen diplomatischen
1) Ernst II., Aus meinem Leben, II., 347.