Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Zweiter Band. (2)

1860 Fürstenversammlung in Baden. 361 
abredeten unter sich, dem Prinzen königliche Ehren zu erweisen 
und ihm den Vortritt einzuräumen. So empfing er am 15. Juni 
Abends 7 Uhr den kaiserlichen Gast an der Spitze einer Schaar 
gekrönter Häupter. Nach 8 Uhr machte er dem Koaiser seinen Be- 
such; ihr Gespräch, das einzige, was sic unter vier Augen hatten, 
dauerte etwa eine Stunde, hatte aber kaum einen andern Inhalt, 
als Napoleon's Klage über die grundlose, gegen ihn in Deutsch- 
land herrschende Aufregung und die feindselige Haltung fast 
der gesammten deutschen Presse. Es sei wahr, sagte er, es 
gebe eine Partei in Frankreich, die nach deutschem Gebiet strebe. 
E aber sei anderer Ansicht; er wünsche, daß die beiden Völker, 
die an der Spitze der Civilisation ständen, in Frieden verkehren 
und ihre Interessen verschmelzen möchten. Um diese Gesinnung 
zu bekunden, sei er hergekommen. Der Regent sprach darauf 
seine Freude und Zustimmung aus, er sei um so bereitwilliger 
auf die Zusammenkunft eingegangen, als sie ein Pfand des 
Friedens sein sollte. Zugleich bemerkte er, daß die Beunruhigung 
in Deutschland die Folge der Einverleibung Savoyens nach der 
feierlichen Proclamation französischer Uneigennützigkeit gewesen 
sei. Das sei, rief Napoleon, ein Ausnahmefall, in Folgc eines 
vorausgegangenen Vertrags, nach welchem, wenn Sardinien 
Vortheile erlange, Frankreich für die geleistete Hülfe eine Ent- 
schädigung erhalten sollte. Was Deutschland betreffe, so 
lägen hier die Dinge ganz anders. Auch ich, erwiderte der 
Prinz, habe von jenem Vertrage keine Kenntniß gehabt, und 
bei dem Publicum war der Eindruck der Annexion um so 
stärker, als Ew. Majestät sich im Kriege als glücklichen Feld- 
herrn bewährt haben. Nun, fragte Napoleon, was ist zu 
thun, um diese Besorgnisse zu stillen? Sagen Sie den deutschen 
Fürsten, antwortete der Prinz, was Sie mir gesagt haben.
	        
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