Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Zweiter Band. (2)

1861 Ablehnung des Beust'schen Planes durch Österreich. 415 
Königsberg hatte Herr von Patow seinen Collegen den 
Entwurf einer Reichsverfassung auf Grundlage des „engern 
Bundes“ mitgetheilt, aber nach der Gesinnung seiner Collegen 
gar keine Antwort über das lästige Document erhalten. Gleich 
nachher kam dann von Roggenbach der verabredete Entwurf 
eines Rundschreibens an die deutschen Höfe; der König und 
das Staatsministerium traten darüber in Berathung, und ob- 
gleich Graf Schwerin heftig erklärte, eine solche Unterordnung 
Preußens unter ein deutsches Parlament sei das Verderben 
des Staates, entschied der König, daß die preußische Zustim- 
mung zu der Depesche im Allgemeinen zu ertheilen, und nur 
ein Vorbehalt zu fernerer Sicherung der preußischen Macht- 
stellung zu machen sei. Darüber empfing man den Text des 
österreichischen Schreibens an Beust vom 5. November, und 
war nicht wenig befremdet über die dort dem Bundestags- 
präsidium beigelegte Bedeutung: was 1816 ohne Widerspruch 
als formale Geschäftsleitung bezeichnet worden war, sollte jetzt 
zu einer Art von Principat über ganz Deutschland ausgedehnt 
werden. Unterdessen hatte Roggenbach bei dem Erscheinen 
des Beust'schen Vorschlags den seinigen einstweilen zurück- 
gelegt, statt dessen aber ihn vertraulich mit Beziehung auf ihre 
alte Frankfurter Bekanntschaft Herrn von Biegeleben nach Wien 
mitgetheit. Darauf kam eine Antwort vom 27. November, 
auf der ersten Seite mit etwas zurückgehaltener Wallung, dann 
aber auf die Frage, ob Osterreich heute eher als unter Fürst 
Schwarzenberg's Leitung auf das System des engern und 
des weitern Bundes eingehen würde, ein leidenschaftlich ver- 
neinender Erguß. Nimmermehr könne Osterreich auf seine 
historische Stellung als erste deutsche Macht verzichten; neben 
einem großen Nationalstaat habe es keine Zukunft; schnell
	        
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