Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Zweiter Band. (2)

1862 Sendung des Generals von Willisen nach Cassel. 435 
Kurfürsten gemeldet werden dürfe. Bald nachher kam ein 
Brief von Loßberg, der Kurfürst sei krank und liege zu Bett. 
Willisen fuhr nach Cassel zurück und wurde von Göddäus 
nicht angenommen, welcher dann aber bei Sydow zu einem 
kurzen Gespräch mit Willisen erschien, und über den Empfang 
des Generals nichts Bestimmtes zu sagen wußte. Unterdessen 
gelangten jedoch Nachrichten über preußische Truppen- 
bewegungen gegen die hessischen Grenzen an den Kurfürsten, 
welche ihn in so zornige Aufregung versetzten, daß er den 
lästigen Besucher noch heute abzufertigen beschloß. Abends 
acht Uhr wurde Willisen benachrichtigt, der Kurfürst, obwohl 
krank, sei in die Stadt gekommen und werde ihn sogleich 
empfangen. Im Vorzimmer fand darauf der General die 
beiden Minister Abee und Göddäus, die ihm auch beim Ein- 
tritt folgten, so daß er sofort über den Ausgang keinen 
Zweifel mehr haben konnte. Der Kurfürst behielt das ihm 
überreichte Schreiben des Königs in der Hand; Willisen 
fragte, ob K. H. es nicht öffnen wollten (wie es sonst der 
Brauch ist); der Kurfürst sagte: ist gar nicht Stil — und 
warf den Brief auf einen vor dem Spiegel stehenden Tisch. 
So mußte Willisen zu reden beginnen, und sagte, er habe 
nur oft Mitgetheiltes als wohlmeinenden und dringenden 
Rath zu wiederholen. — Der Kurfürst unterbrach: jeder 
neue Minister in Preußen will in Hessen neues Spiel machen; 
alles Unglück in Hessen kommt von Preußen; hier wäre 
Alles in Ruhe, wenn man sich von dort her nicht stets ein- 
mischte. Es handelt sich, bemerkte Willisen, jetzt und hier 
um eine einzige Sache, über die in ganz Deutschland nur 
Eine Meinung ist, die Sistirung des Wahlverfahrens. Der 
Kurfürst rief: Verfassung fordert Neuwahl, niemand kann 
28“
	        
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