480 Polnische Wirren. 1861
der geborene Widersacher jeder gesetzlosen Meuterei. Von
den Rechten der Regierung hatte er eine ebenso hohe Vor-
stellung wie von ihren Pflichten; sie sollte herrschen mit
starker Hand, aber auch mit voller Hingebung in der Arbeit
für das Gemeinwohl aufgehen. Mit solchen Gesinnungen
hatte er die Lage seines Landes studirt, und Schritt auf
Schritt den patriotischen Phantasien seiner Landsleute den
Rücken gekehrt. Unsere Vergangenheit, sagte er, liegt in
Asche; wir müssen mit den Materialien der Gegenwart
bauen. Dies bedeutete bei ihm den Verzicht auf die nationale
Unabhängigkeit, die er mit gutem Grunde zur Zeit für un-
erreichbar hielt, die unumwundene Anerkennung der Herrschaft
des russischen Kaiserhauses, und auf diesem Grunde die
Hoffnung auf Rückkehr zu den liberalen Zuständen von 1815,
auf Versöhnung also der beiden, bisher auf den Tod ver-
feindeten Nationen. Den letzten Zweck aber dieses slavischen
Bruderbundes lieferte ihm sein bitterer, unvertilgbarer Haß
gegen die Deutschen. Er hatte bereits 1860 sich mit dem
Vicekanzler in Verbindung gesetzt, und in einer großen Denk-
schrift ihm die Nothwendigkeit der Befreiung Polens als
eines russischen Schutzstaats entwickelt, weil nur auf diese
Weise den Todfeinden des slavischen Namens, den Deutschen,
das stete Vordringen auf slavischem Boden gewehrt, und
ihnen der widerrechtliche Besitz slavischer Lande wieder ent-
rissen werden könne. Gortschakoff hatte dagegen keine Ein-
wendung erhoben. Jetzt legte der Marquis dem leitenden Aus-
schusse des Landesvereins eine nach seinen Grundsätzen abgefaßte
Adresse an den Kaiser vor, eine offene Erklärung fester Anhäng-
lichkeit, und hienach in erster Linie die Bitte um Wiederher-
stellung der Verfassung, in zweiter der Antrag auf Lösung