490 Polnische Wirren. 1861
Menge die Gebäude zu verlassen weigerte, um Mitternacht
eine Abtheilung Soldaten hineingeschickt, welche unter dem
ärgsten Tumulte die Weiber hinausjagte, die Männer aber,
1700 an der Zahl, in das Gefängniß abführte. Auf einen
Wink des Nationalcomité's nöthigte darauf am 16. die Mehr-
heit des Domcapitels den Verweser des Erzbisthums, Bia-
lobrzeski, die Schließung nicht bloß der beiden durch die
Rauferei entweihten, sondern aller Kirchen Warschaus zu
befehlen, um sie, sagte er, vor künftiger Entweihung zu be-
wahren. Das war, über alle kanonische Regel hinaus, ein
Act offener Feindseligkeit gegen die Regierung, welche diese
durch die Absetzung und Verhaftung des Bisthumsverwesers
erwiderte und damit den Patrioten den Beweis lieferte, daß
sie mit Nero und Diocletian in gleicher Verdammniß stände.
Der Finger Gottes zeigte seine Kraft: Graf Lambert wurde
durch einen Blutsturz regierungsunfähig, und wieder wurde
provisorisch der plumpe und rohe Suchosanett zur Beherrschung
Polens berufen.
Unter diesen Drangsalen hatte Wielopolski seine besten
Entwürfe wirkungslos zerrinnen sehen; sowohl mit Sucho-
sanett als mit Lambert stand er in offenem Zerwürfniß, und
als der erstere jetzt wiederkehrte, bat der Marquis den Kaiser
auf das Dringendste um seine Entlassung. Alexander, welcher
die technische Befähigung des Marquis hochschätzte, war
durch verschiedene Umstände in seinem Vertrauen auf die
Zuverlässigkeit des Mannes gestört worden; er beschied ihn
also, um mit eigenen Angen zu sehen, nach Petersburg. Dort
gelang es dem Marquis, mit jeder Woche größeres Ansehen
und festern Einfluß zu gewinnen, zumal Fürst Gortschakoff
nach wie vor sich als eifrigen Unterstützer der Versöhnungspolitik