Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Zweiter Band. (2)

1863 Pläne des Großfürsten und Wielopolski's. 501 
Großfürsten Constantin weitgreifende ehrgeizige Pläne den 
Sinn erfüllten; wären die Rothen einmal gebändigt, so würde 
Polen als russische Secundogenitur ein unabhängiges König- 
reich, unter russischem Schutze, stark genug, Posen und Galizien, 
Croatien und Serbien, vielleicht alle österreichischen Slaven 
an sich zu ziehen, und damit dem weißen Zaren die breiteste 
Bahn nach Constantinopel zu eröffnen. Wie dem nun auch 
sein mochte, jedesfalls war man gleich sehr in Wien, Berlin 
und London in besorgter Spannung über die Entwicklung 
dieser Dinge. Bei den neuesten Verhandlungen über die Wirren 
in den türkischen Donauländern hatte Rußland in festem Ein- 
vernehmen mit Frankreich und in scharfem Gegensatz zu Oster- 
reich und England gestanden; man erfuhr jetzt mit Über- 
raschung, daß Napoleon trotz aller sonst in Frankreich gehegten 
Sympathien strengen Tadel über den polnischen Aufstand aus- 
sprach, der sich verbündet mit Mazzini in einem Zeitpunkt 
erhebe, in welchem Kaiser Alexander Polen mit Wohlthaten 
überschütte. Der Schluß lag nahe, daß Gortschakoff und 
Wielopolski bei ihren Plänen im vollsten Einverständniß mit 
Napoleon vorgingen, daß ein mit Rußland fest verbündetes 
Polen zur Angriffsbasis gegen Wien und Constantinopel dienen 
sollte, während Napoleon zugleich die italienische Sache zur 
Vollendung führte und dann der Herr im östlichen Mittelmeer 
würde. In diesem Zusammenhange konnte die polnische 
Empörung, welche Gortschakoff's Combinationen für den 
Augenblick kreuzte, in London nur hoch erwünscht sein und 
schien für Wien trotz aller Sorge um Galizien immerhin auch 
eine gute Seite zu haben. In England rief man die öffent- 
liche Meinung Europas zu ihren Gunsten auf; in Osterreich 
wartete man auf den weiteren Fortgang, hatte nichts
	        
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