Notenwechsel zwischen Wien, Berlin und Kopenhagen. 101
Interpretation des Schriftwechsels von 1851 als die allein
gültige hinstellen, oder aus einzelnen Außerungen desselben
Schlüsse auf vertragsmäßige Gültigkeit des Ganzen ziehen;
Deutschland solle erklären, welche Verpflichtungen Dänemark
unerfüllt gelassen, solle Dänemark nicht für Bundesbeschlüsse
verantwortlich machen, durch welche der Widerstand der hol-
steiner Stände gegen jede Gesammtverfassung gestärkt worden
sei; die Nationalitätsfrage in Schleswig sei bei den diplo-
matischen Verhandlungen niemals berührt worden; der be-
treffende Satz des Manifestes von 1852 bekräftige also nur
den bestehenden Zustand, wie ihn nach der Unterwerfung der
Rebellion die dänischen Erlasse über die Kirchen= und Schul-
sprache eingerichtet hätten.
Also kein Entgegenkommen in keinem Punkte, keine Spur
einer Anerkennung deutsches Rechts, kein Schatten einer Be-
sorgniß vor kräftiger Erhebung des schwer gereizten Nachbars.
Allerdings nahm sich in diesem Augenblick das vielfach ge-
spaltene Deutschland noch weniger imposant als früher aus.
Der lange verborgen schleichende Gegensatz zwischen den
deutschen Großmächten war seit dem Regierungswechsel in
Preußen durch die Bundesreform-Frage wieder ein offener
geworden; die Mittelstaaten suchten den Einfluß Preußens
abzuschütteln, und dazu bereitete sich in Berlin der Ver-
fassungsstreit zwischen Krone und Landtag vor. Man hatte
in Kopenhagen Grund genug zum Zweifel, ob gegenüber einem
innerlich so kranken Widersacher Anlaß zu furchtsamer Schwäche
vorhanden sei. Auch war es nicht unbekannt, daß zwar der
preußische Minister Graf Bernstorff im Sinne seines Mon-
archen die Unterstützung Schleswig-Holsteins mit Ernst und
Wärme betreibe, der Lenker aber der Wiener Politik, Graf