104 Dänemarks Vertragsbrüche.
wollte von diesem Gewirre spitzfindiger Distinctionen weiter
reden hören. Das Einzige, was im Auslande noch erkennbar
schien, war die angebliche Thatsache, daß Dänemark dem deutschen
Bundeslande Holstein alle Freiheit gönne, Deutschland aber
der souveränen dänischen Monarchie ihre innere Verfassung
vorschreiben wolle. Diese Auffassung setzte sich um so fester,
je weniger man den Höfen von Berlin und Wien eine auf-
richtige Begeisterung für ständische Rechte und Volksfreiheit,
sei es daheim oder in den Herzogthümern, zutraute.
So war die Überraschung groß, als am 24. September
1862 der englische Minister des Auswärtigen, Lord John
Russell, den streitenden Parteien einen Vermittlungsvorschlag
unterbreitete, welcher wenigstens zur Hälfte im deutschen Sinne
gedacht war. So weit wir sehen, war es das Verdienst der
preußischen Diplomatie, dem englischen Staatsmann über die
Sachlage vollständige Aufklärung verschafft zu haben: einmal
unterrichtet, griff der kleine, lebhafte und rechtschaffene Mann,
welcher aller Welt wohlwollte und jedem das Seine gönnte,
eifrig zur Feder. Er stellte zuerst fest, was in der ver-
fahrenen Sache unbestreitbar sei. Es ist klar, sagte er, daß
nach der Entscheidung des Bundes in Holstein keine Gesetze
noch Steuern möglich sind ohne Zustimmung der Stände.
Es ist klar, daß die Verfassung von 1855, weil ohne Zu-
stimmung der Stände erlassen, in Holstein und Schleswig
keine Wirksamkeit hat. Es ist endlich klar, daß das eigentliche
Dänemark für sich Gesetze und Steuern beschließen kann ohne
Zustimmung der Herzogthümer. Zwei große Fragen aber
sind hienach ungelöst geblieben. Die erste betrifft Schleswig.
Die Ehrenpflichten, welche Dänemark hinsichtlich Schleswigs
übernommen hat, sind das königliche Versprechen, daß Schleswig