Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Dritter Band. (3)

164 Erbstreit und Verfassungsfrage. 
So war Osterreich zu dem ersten Schritte einer thätigen 
Politik herbeigebracht, und Bismarck konnte hoffen, daß die 
natürliche Consequenz desselben es in der neuen Richtung 
weiter führen würde. Die Welt war erstaunt, nachdem Jahre 
lang Osterreich in erbittertem Hader an der Spitze der deutschen 
Mittelstaaten Preußen gegenüber gestanden, jetzt plötzlich 
Osterreich mit Preußen vereint, der großen Mehrheit des 
dritten Deutschland entgegen treten zu sehen. Und doch war 
das Ereigniß natürlich genug. Bei seiner isolirten und be- 
drohten Stellung in Europa wollte Osterreich um keinen 
Preis auch in Deutschland völlig vereinzelt werden. So 
ergriff es in der die Lage beherrschenden dänischen Streitsache 
die Partei, welche einstweilen dem Wiener Standpunkte am 
nächsten hielt. Es begehrte die Integrität der dänischen 
Monarchie unter König Christian: darüber war mit dem 
dritten Deutschland bei dessen Augustenburger Schwärmerei 
eine Verständigung unmöglich; man schloß also mit Preußen 
ab, welches sich allerdings für die Zukunft alle Wege offen 
hielt, einstweilen aber auf dem Boden des Londoner Proto- 
kolls bleiben zu wollen erklärte. 
Die Nachrichten, welche Bismarck in diesen Tagen über 
die Haltung der übrigen Großmächte empfing, lauteten nicht 
minder günstig. Am unsichersten erschien fortdauernd Eng- 
land, aus dem einfachen Grunde, weil es in seinen eigenen 
Berathungen zu keinem festen Entschlusse kam. Die Königin 
Victoria, deren älteste Tochter Kronprinzessin von Preußen, 
deren ältester Sohn mit der Tochter Christian's IX. vermählt 
war, hatte Mitgefühl nach jeder Seite, beklagte die dänische 
Hartnäckigkeit und hielt doch Preußen an den Londoner Vertrag 
gebunden; ihr Seelenwunsch war Erhaltung des Friedens.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.