Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Dritter Band. (3)

168 Erbstreit und Verfassungsfrage. 
vinzen zu vergeben hätte, erläuterte der Minister, daß er nicht 
an territoriale Abtretungen denke; die Compensationen könnten 
in einer Geldzahlung an Dänemark, in der Verleihung einer 
hohen preußischen Stellung an Augustenburg, in guten Diensten 
an befreundete Mächte bei andern Fragen bestehen. 
Bei welcher andern Frage Frankreich Preußens „gute 
Dienste“ wünschte, und dann mit der Erwerbung Schleswig- 
Holsteins belohnen wollte, lag auf der Hand. Goltz theilte 
mit ihm die Wendung gegen Osterreich, hatte aber über 
Schleswig-Holstein keinen andern Gedanken, als dessen Selb- 
ständigkeit unter Augustenburg trotz Osterreich nach dem Be- 
gehren der populären Stimmung in Deutschland durchzusetzen. 
Ganz in diesem Sinne redete er am folgenden Tage nochmals 
mit Napoleon in Compiegne, im vertrauten Gespräche nach 
der Tafel bei einer Cigarette. Der Kaiser erklärte zunächst, 
keine Partei nehmen zu wollen; die Frage sei offenbar für 
den Congreß geeignet: aber, fügte er mit plötzlicher Wendung 
hinzu, nach den Außerungen der Großmächte scheint der 
Congreßplan keine großen Ergebnisse mehr zu verheißen; ich 
kann nur noch die Bildung eines Allianzsystems für Frank- 
reich in das Auge fassen, und wünsche ein solches mit Preußen 
einzugehen. Goltz, höchst entzückt, erwiderte, die Überein- 
stimmung in fast allen Fragen (mit Ausnahme der polnischen) 
werde von selbst dieses Ergebniß herbeiführen; es sei das eine 
Zeitfrage, eine Frage des Temperaments; der Eine gehe schnell, 
der Andere bedächtig auf das vorgesteckte Ziel hin. Er freute 
sich, als Napoleon seiner Ansicht zustimmte, daß Frankreich 
sich mit England, Rußland oder Preußen, sicher aber nicht 
mit Osterreich verbünden könne. 
Die Tragweite dieser Nachrichten reichte, wie man sieht,
	        
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