Ssterreichisch-preußische Verhandlung über die Besetzung Schleswigs. 197
dessen Beschwerde nur an weitere Unterhandlung gedacht: als
aber die Mittelstaaten und die populäre Agitation jetzt um
die Wette die Eroberung des Landes für dessen angestammten
Fürsten begehrten, kam in Wien die Meinung auf, um dieser
verbrecherischen Narrheit der Mittelstaaten, wie es die Russen
nannten, einen Riegel vorzuschieben, müßten Osterreich
und Preußen in der Besetzung Schleswigs den Augusten-
burgern zuvorkommen, und die Entscheidung der gefährlichen
Frage in die eigene Hand nehmen, um hiemit auch für
Schleswig die Integrität der dänischen Monarchie zu be-
wahren.
Schon am 19. December hatte Rechberg an Karolyi
einen Erlaß folgendes Inhalts gesandt.
Es sei erlangt worden, daß Europa dem Einrücken in
Holstein keinen Widerstand entgegensetze. Aber es werde
nicht lange mehr möglich sein, den Standpunkt festzuhalten,
auf dem es sich lediglich um eine innere deutsche Frage
handelte. Der Drang der Ereignisse werde uns zwingen,
die schleswig'sche Frage in das Auge zu fassen. Der Bund
könne nicht wohl ein Executionscorps nach Holstein schicken,
und zugleich ein gleichgültiger Zeuge der Einverleibung
Schleswigs bleiben. Osterreich und Preußen hätten erklärt,
daß die Geltung des Londoner Tractats für sie von der
Erfüllung der dänischen Verpflichtungen gegen Schleswig
abhängig sei; bei der allgemeinen Spannung scheine die
Frage unabweisbar, ob nicht der Augenblick gekommen sei,
von Dänemark die Erfüllung jener Verpflichtungen zu be-
gehren. Auf diesem internationalen Gebiete lasse sich aller-
dings die Mitwirkung der übrigen Mächte nicht ablehnen.
Andrerseits fordere das Interesse des Bundes und der Zu-