Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Dritter Band. (3)

Schreiben des Königs an den Kaiser. 257 
Osterreichs und Preußens europäische Politik der Herrschaft 
der Bundesmehrheit zu unterwerfen strebten, sie den beiden 
Mächten die Fortsetzung eines solchen Bundesverhältnisses 
unmöglich machten. Die Frage sei von den Mittelstaaten 
auf die Spitze getrieben worden, und der Augenblick sei 
günstig, sie zur Entscheidung zu bringen, weil sich England 
und Rußland zur Zeit der Mittelstaaten nicht annehmen 
würden, deren Politik gerade gegen die von jenen Mächten 
eingenommene Stellung gerichtet sei. Einen etwaigen Ein- 
spruch Frankreichs hätten Osterreich und Preußen nicht zu 
scheuen, so lange sie einig blieben. 
Wie man sieht, war hier die deutsche Frage als unmittel- 
bare Consequenz der schleswig-holsteinischen gestellt, und damit 
der Standpunkt ergriffen, von dem aus Preußen in den 
folgenden Jahren den Sturz des Bundes und die Gründung 
des deutschen Reiches herbeigeführt hat. 
Vertraulich wurde Manteuffel angewiesen, jede Er- 
wähnung umfassenderer Allianzvorschläge zwischen Preußen 
und Osterreich zu vermeiden, und wenn sie von Rechberg 
angeregt würden, sie als außerhalb seines Auftrags liegend 
zu bezeichnen; nur im Nothfall möge er als seine persönliche 
Auffassung durchblicken lassen, daß der König schwerlich im 
Voraus eine Garantie des Besitzstandes oder vertragsmäßige 
Verbindlichkeiten übernehmen, jedoch ein Bündniß mit Oster- 
reich für bestimmte Zwecke und bestimmte Fälle vortheilhaft er- 
achten würde, da ihm jede der beiden Mächte durch ihr eigenes 
Interesse genöthigt scheine, die andere bei dem Angriffe eines 
übermächtigen Gegners nicht im Stiche zu lassen. Für jetzt 
böten indessen die Beziehungen zu Frankreich keinen Anlaß zu 
einer solchen Besorgniß; im Gegentheil, wenn England fort- 
v. Sybel, Begründung d. deutschen Reiches. III.
	        
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