Preußischer Antrag auf Befragung des Volkes in Schleswig. 345
Moment für die Entscheidung der Conferenz sein, aber ohne
dasselbe kann die Conferenz sich nimmermehr ein der Sach-
lage angemessenes Urtheil bilden; jedesfalls aber wird die
Entscheidung nicht von der Bevölkerung, sondern allein von
der Conferenz gegeben werden.
In Wien blieb diese Erörterung, bündig wie sie war,
ohne Wirkung. Nicht einmal einen solchen Antrag in der
Conferenz schweigend passiren zu lassen, wollte Rechberg
zugeben. Aber wie sehr Bernstorff auch von dem unter
diesen Umständen hoffnungslosen Beginnen abrieth, Bismarck
beharrte auf seinem Beschluß. In der Sitzung am 18. Juni
mußte Bernstorff einen preußischen, von dem Minister selbst
redigirten Antrag des angegebenen Inhalts in aller Form
einbringen. Sofort geschah, was Bismarck erwartet hatte.
Es zeigte sich, daß die Dänen und ihre Freunde schlechter-
dings keine amtliche Erkundigung über die thatsächliche Lage
der Dinge in Schleswig, über die Sprache und die Gesinnung
der Einwohner zulassen konnten, ohne den dänischen An-
sprüchen schweren Schaden zu thun. Kaum hatte Bernstorff
den Antrag verlesen, so erhoben die Dänen heftigen Protest.
Nur auf dem künftigen deutschen, nicht auf dem dänisch
bleibenden Antheil dürften die Wünsche der Bevölkerungen
gehört werden. Mit hoher conservativer Salbung trat ihnen
Brunnow bei. Er beklage tief, daß er den Vertretern einer
so nahe befreundeten Regierung widersprechen müsse. Aber
über aller Freundschaft stehe bei ihm die Pflicht gegen seinen
Hof. Nun sei es gegen alle Grundsätze der russischen Politik,
Unterthanen zu fragen, ob sie ihrem Souverän treu bleiben
wollen; sollten denn die Bauern in Schleswig über eine
Frage entscheiden, mit welcher die Mächte Europas in dieser