30 Die Thronfolgefrage.
dagegen war man wie in Rußland jedem Schritte zu einer
scandinavischen Union abgeneigt, und trug sich damals mit
Plänen, nicht die Herzogthümer allein, sondern ganz Däne-
mark in den Zollverein zu ziehen. Von diesen sich zum Theil
widersprechenden Gedanken war ganz gewiß die Hälfte unrichtig,
ungewiß aber waren sie sämmtlich, und eben deshalb meinten
die Cabinette, es sei am sichersten, es beim Alten, also bei
der Erhaltung des dänischen Gesammtstaats zu belassen.
Nach der Lage aller Verhältnisse wurde keine der großen
Mächte so unmittelbar und in solchem Grade durch die Ent-
wicklung der schleswig -holsteinischen Frage berührt, wie
Preußen. Je nachdem der Ausgang jener Wirren für Preußen
günstig oder schädlich fiel, war Gewinn oder Verlust für
Handel und Verkehr, für Sicherung der Schifffahrt und
der Grenzen von hoher Bedeutung. So war man in
Berlin allen Phasen des Streites mit lebhafter Aufmerksam-
keit gefolgt: auch hatte sich Herzog Christian von Augusten-
burg an König Friedrich Wilhelm IV. mit einer Darlegung
seiner Rechte und Bitte um Schutz derselben gewandt, und
der Algreen-Ussing'sche Antrag kündigte die Nähe der Krisis
an. Wenn bei den andern Höfen das eigene Staatsinteresse
gegen jede andere Erwägung zuletzt den Ausschlag gab, so
stand bei der legitimistischen Gesinnung König Friedrich Wil-
helm's und bei seiner hohen Vorstellung von der Würde
deutsches Fürstenthums auch in diesem Falle die Frage nach
der Berechtigung der beiden streitenden Linien an der ersten
Stelle. Vor allen Dingen veranlaßte er also eine Anzahl
hervorragender Männer, den einst so rühmlich als Diplomaten
bewährten Minister Eichhorn, den gelehrten Professor Lanci-
zolle u. A. zu Rechtsgutachten über die Thronfolge in den